Dienstag 10. Juli – Kreta 2001

Nach drei leckeren großen Tassen Kaffee bleibe ich meinen beiden üblichen Devisen treu:
1. Ich hasse lange Verabschiedungen,
2. Gäste und Fische stinken nach einem Tag.

Christos und seine Frau scheinen ein bisschen überrascht, aber nicht gekränkt, als es mich wieder zum Aufbruch drängt. Ich wünsche ihnen noch das Beste für das im Oktober angekündigte Kind – von hier aus noch mal! – und dann hat mich die Straße wieder. Zum Glück ist es nicht mehr so heiß wie gestern.

Bei Kalýves entschließe ich mich spontan, eine meiner Lieblingsstrecken zu nehmen, nämlich von hier aus die alte Straße bis Georgioúpolis. Wer einmal durch dieses für kretische Verhältnisse fast üppige Waldgebiet gefahren ist, der wird das nachvollziehen können. Und es kostet mich höchstens eine Viertelstunde.

PicturesKK/jeep.jpgAllerdings, dann kommt es wieder anders. In Vrýsses lockt das Hinweisschild nach Chóra Sfakíon. Da war ich doch auch schon zwei oder drei Jahre nicht mehr. Und man kommt ja auch „unten herum“ nach Agía Galíni zurück. Mein übliches Glücksspiel: Falls es noch vor 11 Uhr sein sollte … es ist 10.45 Uhr. Also los!

Die Strecke hier über die Berge zählt sicherlich zu den eindrucksvollsten Nord-Südverbindungen über Kreta. Bis zur Askífou-Hochebene ist viel gebaut worden, doch die Kurven sind zum Teil immer noch beeindruckend. Der Jeep schnurrt tapfer hinauf. Leider verschiebe ich wieder einmal das schon lange gehegte Vorhaben, herauszufinden, was das für eine alte Ruine ist, die links in der Hochebene auf einem Berg liegt. Irgendwie finde ich nie die Zeit oder die Energie. Heute sind es einfach die Strecke, die noch vor mir liegt, die Hitze und der (freilich selbstgewählte Stress) dieser Tage.

PicturesKK/imbros1.jpgEinige Kilometer später passiere ich Ímbros. Der Einstieg in die gleichnamige Schlucht ist am südlichen Ortsausgang oder ein Stück weiter an einer Taverne bestens ausgeschildert. Heute begnüge ich mich aber damit, von oben ein paar Fotos zu schießen.

Die Straße entlang der Schlucht ist zwar gut asphaltiert, aber zum Teil abenteuerlich eng (an einigen Stellen stehen sogar Spiegel in den Kurven). Ich stelle mir die ganze Zeit vor, wie es wäre, wenn mir jetzt alle die Reisebusse mit rückkehrenden Wanderern aus der Samariá-Schlucht begegnen würden.

Glücklicherweise ist es noch zu früh dafür. Die Busse stehen überall auf Parkplätzen neben der Straße, viele von ihnen auch unten direkt vor Chóra Sfakíon. Die Fahrer nutzen die Pause für ein Mittagsschläfchen unten im auf beiden Seiten geöffneten Gepäckraum!

PicturesKK/chorasfak6.jpgChóra Sfakíon liegt in der brütenden Mittagshitze. Es ist nichts los und so bleibe ich nur auf eine kurze Erfrischung. Vor den Lokalen an der Hafenpromenade ist inzwischen alles schattig überdacht, doch selbst hier treibt es mir den Schweiß auf die Stirn. Also ziehe ich den Fahrtwind vor und breche entlang der Südküste wieder nach Osten auf. Was ich an Veränderungen in Chóra Sfakíon bemerkt habe, ist längst in den Online-Guide Kreta eingeflossen.

Immer wieder liest man (auch bei mir), dass die Sfakiá, durch die ich jetzt fahre, die wildesten Kreter beherberge. Wenn man das an der Zahl der Einschüsse in Orts- und Verkehrsschildern messen will, scheint das immer noch zu stimmen. Das Schild, welches die Grenze des Unterbezirks Sfakiá anzeigt, weist besonders viele Einschüsse auf!

PicturesKK/dimossfak1.jpgDie kurzen Abstecher nach Frankokástello und Plakiás hinein führen zur Erkenntnis, dass sich zwar Kleinigkeiten verändern, aber das Ganze an sich wohl doch nicht so sehr.

Frankokástello ist immer noch eine lose und verstreute Ansiedlung mit einigen netten Tavernen und einem deutsch-griechischen „Eiscafé“ (das ehemalige Kafenío hat Karriere gemacht), sowie ebenso über die Ebene verstreuten Unterkünften.

Plakias hingegen hat die Strandpromenade aufgerüstet, es wirkt dadurch aber leider ein wenig unpersönlicher als früher. Liegt es nur daran, daß ich endlich Lust zum Abschlaffen habe, dass ich recht schnell weiterfahre?

Noch einmal geht es durch die Kourtaliótiko-Schlucht, noch einmal durch Spíli … und dann sticht mich der Hafer. Einmal wenigstens will ich sehen, was der Jeep auf unwegsameren Wegen so drauf hat. Also folge ich irgendwo kurz vor Agía Galíni einem steil rechts empor führenden Feldweg, nicht ohne zuvor die Freilaufnaben eingerastet und den Allradantrieb eingelegt zu haben. Das war vernünftig, denn der Weg wird immer mehr mehr zum „Unweg“. Doch der kleine Jeep tobt ihn mit Begeisterung hinauf. Ein wenig bedrückt mich der Gedanke, hier wieder runter zu müssen. Doch wenn mich mein Orientierungssinn nicht vollkommen täuscht, müsste ich da oben irgendwo auf die Straße von Mélambes hinunter nach Agía Galíni stoßen. Also wieder den ersten Gang rein und immer weiter rauf. Erfreulicherweise behalte ich recht, ich treffe irgendwann wieder auf den erwarteten Asphalt und rolle gemütlich zu Tal. Ich tätschele den Jeep, er hat den Test voll bestanden.

Abends diskutiere ich bei Heidi mit zwei anderen „Globetrottern“ die spannendsten Strecken von Kreta. Die beiden haben einen leckeren Sonnenbrand, denn sie waren mit dem Geländemotorrad unterwegs. Uns schmeckt das Bier sehr gut, wen wundert es.