Katastrophen-Management Teil 2

Von Martin Keller
Stellvertretend für viele andere: Ein Katastrophentag in der in der 94-96er Gruppe.
Martini begann mit dem zweiten Kasten Amstel und überlegte, was sind eigentlich für ihn persönlich solche kretischen Katastrophen?
Dabei fiel ihm ein Tag der 94-96er Gruppe ein, der Frangiskos damals seinen ersten Lamborghini einbrachte.

Aber der Reihe nach:
Der erste Aufenthalt mit der „besten Lebensgefährtin der Welt“ auf Kreta war angesagt. Als er das erste mal über die enge Brücke im Vorort von Rethymnon fuhr, an der immer nur ein Auto zur Zeit durch passte, (was Generationen von Automechanikern schon reich gemacht hatte) meinte er zu seiner neuen „besten Lebensgefährtin der Welt“:
„Wieso sind die mit den Brückenarbeiten für die neue breitere Brücke bloß noch nicht fertig. Seit April sind die in Gange und jetzt haben wir Oktober! Mann, wenn jetzt der erste Herbstregen kommt, wird die Behelfsstraße, die unterhalb der Brücke durch das Flussbett führt, mitsamt den Baumaterialien in den Wassermassen versinken.“
„Du immer mit deinen pessimistische Vorahnungen“, meinte die „beste Lebensgefährtin der Welt“.

Angekommen legten Sie sich sich nach dem allgemeinen Hausreinigungsritual völlig erschöpft ins Bett und freuten sich auf den ersten sonnigen Morgen im sonnigen Kreta. Martini wachte morgens nach einer schlaflosen Nacht auf, die voller Sorgen war, wie er das Geld für seine nächste Sitzung bei Frangiskos aufbringen könnte.
Neben ihm lag die „beste Lebensgefährtin der Welt“ und murmelte etwas wie: „Nein, nein, verjag die Skorpione aus unserm Schlafzimmer“. Was sollte ihm das sagen? Er stand auf, blickte aus dem Fenster und sah die schwarzen Wolken am sonst so blauen Himmel. In der Nacht hatte in den Bergen ein unheimliches Gewitter getobt, aber so langsam klarte es auf. Na ja, was soll’s, erst mal eine schönen Kaffee und dann mit der „besten Lebensgefährtin der Welt“ zum Shopping in die Stadt.

Doch da war es wieder: das „Kretasyndrom“!
Warum brauchen die Kaffemaschinen eigentlich so lange, bis zum herrlich erfrischenden Kaffee? Aha, die „ich-bin-in-Betrieb-Kontrollleuchte“ verweigerte den Dienst, das hieß also, alle Sicherungen im Sicherungskasten prüfen! Der Skorpion im Rahmen des Sicherungskasten war mindestens 2 cm lang und Martinis Lebensgefährtin konnte vom Schlafzimmer aus einen herrlichen sportlichen Doppelachsel erleben. Martini dachte bei sich, erzähl bloß nichts von dem Viech, sonst wird die beste Lebensgefährtin niemals die Waschmaschine in Betrieb nehmen, die in diesem Raum steht.
Die Sicherungen waren alle in Ordnung, also hatte Martini keinen Schimmer, was da los sein könnte! Also, erst mal duschen, denn die Solaranlage bringt das heiße Wasser auch ohne Strom an den Körper. Noch eingeschäumt trocknete Martini sich ab, mit der neuen Erkenntnis, das heißes Wasser die heiße Sonne an den Solarzellen auf dem Dach voraussetzt. Während eines Gewitters scheint auch auf Kreta selten die Sonne.
Egal, dachte Martini, Kaffee kann man auch mit einer Gaskartusche kochen. Dass das Zischen des Gaskochers nach 2 Minuten verklang und das Wasser bis zum Kochen noch ungefähr 60 Grad benötigte, überspielte Martini geschickt mit der Bemerkung: „Liebling, habe ich dir eigentlich schon erzählt, wie gut der Kaffee in Christos‘ Taverne schmeckt? Ich lade dich heute zum Frühstück ein, ist das nicht eine tolle Idee?“

Also, auf geht’s und hinunter in den Vorort. Aber warum passte der Schlüssel nicht in dieses verdammte Türschloss? Nun gut, der Wagen stand jetzt schon 5 Monate auf dem Dorfplatz, aber konnten deshalb Türschlösser zuwachsen?
Mit einem Grinsen öffnete Georgis, der gerade vorbei kam, sein Taschenmesser und beförderte aus den Türschlössern mindestens eine Schachtel Streichhölzer! Martini liebte die Kinder des Dorfes wieder ein großes Stück mehr! Aber insgeheim freute Martini sich darüber, das es Kinder gibt, die nicht nur den ganzen Tag vor dem Fernseher saßen. Also, rein ins Auto. Hurra, es sprang an, obwohl er in diesen Winter die Batterie nicht ausgebaut hatte. Runter ging es die abschüssige Bergstraße. Über die Straße schoss immer noch eine Flut aus Matsch, diverse Plastiktüten suchten sich ihren Weg zurück zum Supermarkt.
„Lass uns doch zuerst mal am Strand die Riesenwellen anschauen, bei dem Sturm heute Nacht muss es bestimmt eine Mordsbrandung geben“ meinte Martini.

Etwa hundert Meter vor dem Strandparkplatz begann Rudolph (Martinis Auto) plötzlich zu stottern und rollte dann stumm an die Mörderbrandung heran. Leicht genervt schritt Martini um den Wagen herum und verwünschte den Tag, an dem er sich entschlossen hatte, ein eigenes Auto auf die Insel zu bringen. Er öffnete die Motorhaube und staunte über soviel Technik. Fachmännisch fiel sein Blick auf den kleinen Benzinfilter, benutzten die eigentlich neuerdings Sand als Filtermittel, irrte ein schaumiger kaffeeloser Gedanke durch seinen Kopf?
Benzinfilter, Sand, Schlauchleitung nach hinten? Die Streichhölzer aus dem Tankschloss entfernte er im Handumdrehen, man ist ja lernfähig! Als er den Tankdeckel abschraubte, irritierte ihn der Sand am inneren Gewindestutzen. Scheiß Kinder! Die haben uns Sand in den Tank gefüllt, entfuhr es ihm wutschnaubend!
Dann: Gehirnwiderspruch! Hatten Kinder den Tankdeckelschlüssel? Nicht dass Martini wusste!
Seine Hand griff in den Kotflügel und fuhr am Tankstutzen entlang, bis seine Finger wahrnahmen, das dort ein Loch von etwa 5×5 cm klaffte. Tja, der Rost rostete hier Kreta eben auch etwas schneller. Schnell wurde ihm klar, das der Matsch von der Bergfahrt durch den Reifen in das Tankrohr geschleudert worden war.
Wie viel Sand fasst wohl so ein Tank, sinnierte Martini und schaffte es, das der Tankdeckel viermal auf der Wasseroberfläche aufditschte, bevor er versank.

Winer seiner Lieblingsausdrücke war „improvisieren“, also joggte er zur Tankstelle und erwarb einen 5 Zentimeter dünnen Gummischlauch und einen neuen Benzinfilter vom Tankwart, der frischgeduscht gerade seinen dampfenden griechischen Kaffee trank. Des Tankwarts Frage, warum Martini so schmierige Finger hatte und seine Hose total schlammig war, konterte dieser mit einem lässigen „kalinichta, ola kala“.

er Schlauch war schnell installiert und die beste Lebensgefährtin der Welt hatte einen 5 Liter Kanister zwischen den Füßen im Beifahrerfußraum. Martini saugte unter freundlichen Zuspruch der besten Beifahrerin der Welt das Benzin im Schlauch an und übergab sich dank leeren Magens nicht in den Motorraum.
Aber der Geschmack im Mund erinnerte ihn an sein Versprechen: „Kaffee trinken in aller Ruhe“ und eine innere Unruhe überfiel ihn!
Zwei Stunden später sprang der Motor anstandslos an und Martini warf seiner Beifahrerin ein triumphierendes Lächeln zu: „Na also, es geht doch!“

Von Martin Keller