Kirchen, Klöster, Kurven Teil 3 – Kreta 2004

Dieses Mal blieb Frank im Auto sitzen, draußen oben war es zu kalt. Und beim Ansehen der Filmaufnahmen durch die Frontscheibe kann einem schlecht werden, obwohl ich wirklich langsam gefahren bin.

Asigoniá ist als Widerstandsnest gegen die Türken bekannt, denn es war gut zu verteidigen. Dies erkennt man, wenn man durch das Tal hinunter fährt. Es ist idyllisch grün, aber eng.
Unten biegen wir nach rechts über eine Brücke Richtung Argyroúpolis ein und besichtigen natürlich die berühmten Wasserfälle. Klar, sie sind schön, aber nicht mit der Quelle des Megalopotamós zu vergleichen.
Frank und ich kletterten fast bis zum Dorf hinauf, weil wir zu blöd waren, die Wasserfälle zu entdecken, da oben war allerdings überhaupt nichts. Chelmiii blieb zurück, weil er „die falschen Schuhe anhatte“. Ich konnte es natürlich nicht lassen, als wir wieder herunter kamen:
„Chelmiii, du musst unbedingt da rauf. Du glaubst gar nicht, wie toll es da ist!“
Trotz der falschen Schuhe gab er sich einen entschlossenen Gesichtsausdruck und wollte losziehen, aber ich habe ihn aufgeklärt: Die recht kleinen (und künstlich angelegten) Wasserfälle befinden sich gleich unten links neben der Treppe.
Nach den obligatorischen Fotos genehmigten wir uns das dritte Mythos des Tages.

Und dann wollte ich eine Strecke ausprobieren, die ich noch nicht kannte: Von hier aus sollte es eine recht neu asphaltierte Straße hinunter nach Plakiás geben! Tatsächlich?
Tatsächlich! Wir fanden im Ort oben ein Hinweisschild und folgten ihm. Es gibt die Straße wirklich. Wir kamen tatsächlich in Kalí Sikiá an und fuhren von dort aus über Ágios Ioánnis zurück zur Hauptstraße von Réthymnon nach Spíli. Und dann war wieder ein Reisebus vor uns, der weniger kooperativ war, als der bereits Erwähnte. Immer, wenn es mal ein Stück geradeaus ging, fuhr er penetrant in der Mitte der Straße!
Aber irgendwann hatte er doch ein Erbarmen und ließ uns vorbei!

Zurück auf der neuen Straße von Réthymnon Richtung Agía Galíni zur Abwechslung mal ein Stück Kreta-Highway. Der Cinquecento schnurrt zufrieden dahin, obwohl ihm die vielen Kurven, Steigungen und Gefälle bis jetzt wenig ausgemacht haben.
Und dennoch mache ich kurz vor Spíli einen Vorschlag: „Was ist jetzt, fahren wir auf der neuen Straße durch bis Agía Galíni, dann kriegen wir in 20 Minuten ein kühles Bier! Oder ich biege noch mal auf der anderen Seite in die Berge hinauf, dann wird es mindestens ein bis zwei Stunden später.“

Die Antwort lautet trotz der Drohung unisono vom Beifahrersitz und von der Rückbank: „Abbiegen, der Weg ist das Ziel!“ Obwohl … ich sehe im Rückspiegel, wie Chelmiii immer mal wieder seine Oberschenkel massiert. Nun ja, die Rückbank, auch wenn man sie für sich alleine hat, ist nicht der komfortabelste Platz im Cinquecento.

Also, kurz hinter dem Ortseingang von Spíli – gegenüber des Priesterseminars – biege ich links ab Richtung Gerakári. Wieder geht es steil und in teils engen Kurven nach oben. Rechts unter uns tut sich der Panoramablick auf Spíli auf. Rechts ranfahren und stoppen: Fototermin (einige der Fotos waren ja schon im Kreta-Forum zu bewundern).

Während wir die diversen Auslöser betätigen – Frank filmt natürlich auch, aber er filmt immer nur die Landschaft und nicht Chelmiiis Schuhe – kommt ein anderer kleiner Leihwagen den Berg hinter. Auch dieser bremst sofort, als er uns hantieren sieht, heraus springt ein kleiner Chinamann mit mindestens drei Kameras. Denn wo gleich drei Leute am Straßenrand und in der Macchia herumgeistern, muss es was zu fotoglafielen geben. Wenig später zieht er zufrieden wieder ab, und auch unser Auto schraubt sich über den Kédros hinauf. Ziemlich weit oben fahre ich extra vorsichtig, denn ich erinnere mich mit Schrecken, dass es hier 2001 eine ebenso überraschende wie brutale Querrinne gab, die mir sicherlich seinerzeit die Vorderachse gebrochen hätte, hätte ich keinen hartbeinigen Suzuki Samurai unter dem Hintern gehabt. Entwarnung, die Rinne ist entschärft.

In Gerakári biegen wir rechts ein und rollen die alte kurvenreiche Straße über Áno Méros wieder zu Tal gen Süden. Als wir durch Áno Méros fahren, erzähle ich natürlich die Geschichte, wie wir mit einem alten Freund, der sicherlich längst gestorben ist, öfter oberhalb des Dorfes beim Kirchlein „Kaloídena“ picknicken waren (zu Fuß natürlich!).
Und dann glaube ich, etwas außerhalb des südlichen Dorfausgangs einer Fata Morgana zu unterliegen: Eine schmale Asphaltstraße führt im spitzen Winkel nach rechts den Berg hinauf und das steht tatsächlich ein braunes Schild, wie es auf Sehenswürdigkeiten hinweist: „Monasteri Panagia Kaloidena“!

Kann das wahr sein, dass es da hinauf jetzt eine Straße gibt? Wozu eigentlich? Aber das will ich jetzt wissen! Also wenden und hinauf. Passenderweise beginnt es zu regnen. Da macht das Sträßchen trotz Asphalt nur bedingt Spaß. Und dann sind wir wirklich am Kirchlein, das eigentlich  die Reste eines ehemaligen Klosters darstellt.
Es ist zumindest von außen schick restauriert, die Glocke hängt frei draußen an einem Baum und die Treppen hinunter sind die Picknickplätze erheblich erweitert worden. Hier scheint also im Sommer durchaus viel los zu sein. Momentan sah es noch wüst aus: Abgebrochene Bäume und große Äste, die die Treppe blockierten, der vergangene Winter war ja auch wirklich heftig.
Da es jetzt auch noch stärker zu regnen beginnt, packen wir die Kameras ein und machen uns wieder vom Acker.

Der Rest der Tour verlief bis auf die weiteren zahlreichen Kurven eher ereignislos. Chelmii fühlte sich auf seinem Hinterbänkchen immer unwohler und auch wir anderen beiden begannen, uns allmählich auf das Ende der Fahrt zu freuen, was ja nach 235 Kilometern auf kretischen Straßen, die ja zumindest da, wo wir unterwegs waren, praktisch nur aus Kurven bestehen, auch irgendwo verständlich war.

Und außerdem, da wartete doch jemand auf uns: Einige Gläser frischgezapftes Mythos auf Frank und mich, auf Chelmii der Wein und auf alle ein reichliches und gutes Essen bei Antónis. Und als nach dem Essen die Flasche Rakí auf den Tisch gestellt wurde, da hat nicht einmal Chelmiii einen getrunken.
Das fanden wir sehr gut: Denn wir waren vorher überein gekommen, dass die drei Mann zusammen auf Tour gehen … aber (nur) zu Kirchen, Klöstern, Kurven und Kwellen …

Und wie endet dieser Bericht? Wie alle griechische Märchen (denn die Tour war zwar durchaus sehr real, kam uns aber bei dem Spaß, den wir dabei hatten, auch wie ein Märchen vor. Es war zwar nicht die einzige Fahrt, die wir zusammen unternahmen, aber ich glaube, es war die Schönste!): „Sie lebten gut und wir noch besser!“