Kreta 1974 – volle Kanne auf die Insel

In diesem Jahr trat meine erste wirklich große Liebe in mein Leben. Die zweite kam zwei Jahre später und wir sind heute noch verheiratet … aber bis ich das erzähle, braucht ihr noch ein wenig Geduld.

Bleiben wir also bei der Ersten. Ich war damals Fakultätssprecher unserer Studentenschaft und es begann ein neues Semester. Also kamen viele zur Studienberatung. Wir hatten nur ein recht kleines Büro, das gerade mal Platz für drei Schreibtische bot. Mein ganz persönlicher Schreibtisch stand im Hintergrund am Fenster, während weiter vorne die Beratungen stattfanden. Ich war ziemlich beschäftigt, aber dann schaute sie etwas schüchtern zur Tür herein. Ich vergaß jede Art von Beschäftigung … und winkte sie zu mir.

Sie hieß Helga und wollte auf „Lehramt an berufsbildenden Schulen“ studieren, mit Schwerpunkt Romanistik. Nachdem wir uns ausführlich über Prüfungsordnungen und sonstiges Spannendes unterhalten hatten, konnte ich nicht anders: „Hast du heute Abend schon was vor?“
Sie hatte nicht … Alle weiteren Einzelheiten werde ich nun eurer Phantasie überlassen, denn sie hatten nicht sehr viel mit der Tatsache zu tun, dass wir in diesem Jahr dann zusammen nach Kreta fuhren. Und darum soll es hier ja ausschließlich gehen.

Das Quartett der Reisenden wurde von zwei Freunden komplettiert, Brigitte und Wilfried. Brigitte war (und ist noch) eine dunkelhaarige kühle Schönheit und Wilfried ist auch heute noch einer der größten Gemütsmenschen, die man sich vorstellen kann. Sie sind übrigens immer noch verheiratet. Ganz im Gegensatz zu Wilfrieds Gemütlichkeit stand sein Auto, dass uns damals nach Kreta trug, ein BMW 2002 TII mit sage und schreibe 140 PS.
Nachträglich besehen wundert es mich nicht, dass wir in Jugoslawien in mindestens 4 kostenpflichtige Radarfallen sausten.

Wir fuhren mal wieder abwechselnd und wir fuhren nicht brav – wie erwähnt. Der Autoput war auch damals noch bis auf ein kurzes Stück zwischen Belgrad und Nis nur zweispurig, aber es war ein Genuss, relativ unbesorgt überholen zu können, denn man war mit so einem Wagen recht schnell vorbei. Ich erinnere mich sehr gut, dass die Tachonadel häufig 180 km/h zeigte.

Langer Rede kurzer Sinn: Persönlicher Rekord Köln – Athen in 32 Stunden. Den natürlich obligatorischen Stopp in Litochoro habe ich abgerechnet. Auf Kreta allerdings mussten wir feststellen, dass ein tiefer gelegter Bolide nicht das Idealgefährt ist.

PicturesKJ/JANNIS.jpgDiesmal fuhren wir mit der Fähre nach Iráklion, denn ich wollte mit den anderen in das vermutlich hässlichste Dorf Kretas fahren: Kókkinos Pýrgos. Warum ich dieses Dorf in jenen und vielen folgenden Jahren so liebte, weiß ich selbst nicht so genau. Vermutlich lag es aber an den Menschen, die ich da kannte, allen voran der legendäre Jannis … den ich als Foto – zusammen mit Helga – beifüge. Jannis war eigentlich von allen meinen Freundinnen im Lauf der Jahre sehr angetan, allerdings kann ich vorausschauend schon feststellen … Yvonne, mit der ich erst zwei Jahre später bei ihm auftauchte, liebte er besonders. Na, ich ja auch …

Wir fuhren nach Norden, um uns Spíli anzuschauen. Nett fanden wir es und hatten auch recht gut gegessen, als wir wieder nach Kókkinos Pýrgos aufbrachen. Wir wollten aber noch etwas anderes sehen und nahmen den Umweg über Mélambes. Die Straße von Mélambes nach Agía Galíni war damals noch sehr übel. Von Asphalt keine Spur. Und so kam es, wie es leider kommen musste.

Irgendwann spürte ich, dass der Wagen über den Boden schurrte. Ich nahm es nicht besonders ernst. Erst als die Tankanzeige rapide gegen Null fiel und wir hinter uns eine entsprechende feuchte Spur ausmachten, da wussten wir, wir hatten uns ein Loch in den Tank gefahren – und das in der „Wildnis“. So standen wir also da. Ich krabbelte unter das Auto (ich war und bin ja dünn genug) und entdeckte das Loch. Was tun?

Uns fiel nichts Besseres ein, als mit versammelter Mannschaft Kaugummi weich zu kauen, dieses in Plastikfolie einzuwickeln – bloß kein Zucker im Tank – und dann das Ganze mit viel Pflaster aus der Bordapotheke anzubringen. Mit den 5 Litern aus dem Reservekanister schafften wir es dann bis Agía Galíni und dort wiederum konnten wir den leckenden Tank so weit füllen, dass wir bis nach Timbáki kamen, wo sich eine Werkstatt unseres Wagens annahm.