Kreta 1977 – Teil 12

Tatsächlich stand er mit seinem roten Simca unten auf der Hafenmole, als die Fähre in Piräus anlegte. Wir begrüßten uns herzlich, nachdem ich den Bus aus dem Bauch des Schiffes gefädelt hatte, dann fuhren wir hinter ihm her bis zum Haus seiner Eltern. Ich weiß im Moment nicht mehr, wie das Viertel heißt, wo sie wohnten, aber es war eindeutig ein „besseres Viertel“ – hier standen keine Reihenhäuser oder Mietwohnungen, sondern kleine bis größere Villen.

Das Haus von Jorgos‘ Eltern war eines der größeren. Wir drei bekamen eine kleine Einliegerwohnung mit zwei Schlafzimmern und Bad angewiesen, in der normalerweise Jorgos wohnte, er zog so lange in eines der anderen reichlich vorhandenen Zimmer – es war ja nur für eine Nacht.

Wir nutzten erst einmal die Gelegenheit, uns ausführlich der Körperpflege zu widmen, wann hatten wir denn das letzte Mal eine warme Dusche gehabt? Danach machte Yvonne mich stadtfein und Jorgos zog mit uns bis abends in seinem Auto durch Athen … unter anderem stiegen wir auch auf den Lykavittós.

Für den Abend waren wir bei den Eltern zum Essen eingeladen. Jorgos‘ Vater war Professor und das waren ja die, die auch Jahre nach Einführung der „Dimotikí“ (Volkssprache) als Amtssprache immer noch der „Katharévoussa“ verbunden waren und sie auch sprachen. Also verstand ich nicht viel von dem, was er sagte, aber als ich merkte, dass er angesichts meines in den letzten Wochen angeeigneten kretischen Tonfalls schmerzlich zusammenzuckte, machte ich mir einen Heidenspaß daraus, immer bevor ich „und“ sagte, eine kurze Pause einzulegen, und dann ein breites kretisches „tche“ hervor zu stoßen. Er zuckte wirklich jedes Mal zusammen, es schien ihm weh zu tun … eigentlich war es gemein von mir.

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter nach Thessaloniki, wo wir auch eine Nacht verbrachten und köstlich in einem von Studenten sehr frequentierten Lokal aßen – einfach und preiswert, aber hervorragend. Sowieso ist die Küche Nordgriechenlands besonders zu preisen … ich weiß zwar weder, wie der Platz heißt und ob es das Lokal noch gibt, wiederfinden würden wir es aber sicher.

Von der weiteren Rückfahrt gibt es keine neuerlichen Verkehrskatastrophen zu berichten außer einer Verwarnung wegen Überholens im Überholverbot. Die erste richtige Station machten wir in der Steiermark, wo wir uns mal wieder ein Zimmer, einen herrlichen Tafelspitz und ein paar frisch gezapfte Biere (so etwas war damals in Kreta gänzlich unbekannt) gönnten. Yvonne trank trotzdem Wein …

Und am nächsten Mittag trudelten wir dann in München ein, wo wir noch einige gemütliche Tage mit Irene und Klaus verbrachten, die uns in den Englischen Garten, natürlich auf den Viktualienmarkt (ich liebe es wirklich, Rostbratwürstchen mit Sauerkraut und zwei halben Moaßn zu frühstücken!) und in das eine oder andere Brauhaus führten (nicht ins Hofbräuhaus, zum Glück!).

Nur als sie uns am nächsten Abend in ein griechisches Lokal schleppen wollten, legten wir Protest und Veto ein: Nach einer so langen Zeit in Griechenland stand uns der Sinn jetzt mal nach etwas anderem … und sie hatten Verständnis dafür.

Pünktlich zu Semesterbeginn trudelten wir dann wieder in Köln ein … das Ende unseres längsten Urlaubs auf der Insel mit noch viel mehr Eindrücken, als ich hier schildern konnte