Deutsche und andere Touristen

Wir Teutonen sind es wegen unserer Geschichte ja schon gewohnt, uns den Schuh vom „hässlichen Deutschen“ anziehen zu lassen. Der eine oder andere trägt diese Schuhe ja auch durchaus gerne noch…

Trotz unserer unseligen Geschichte, die sich ja zeitweise auch sehr hart auf Kreta abgespielt hat, habe ich dort noch niemals irgendeine Art von Deutschenfeindlichkeit kennenlernen müssen. Im Gegenteil, wenn man früher gefragt wurde, woher man komme, und „Deutschland“ antwortete, wurde man oft mit den Worten „extra prima“ begrüßt. Und das auch in Lokalen, in denen – wie im Umland von Chaniá durchaus auch heute noch manchmal zu sehen – martialische Darstellungen an der Wand hängen: kretische Bauern, die gerade einen deutschen Fallschirmjäger mit einem Stein erschlagen.
Natürlich sollte der deutsche Tourist nicht saufend in Lokalen deutsche Fallschirmjägerlieder singen, aber diese Klientel findet man auf Kreta zum Glück eher selten (Ausnahmen bestätigen leider wie immer die Regel).

Im Gegenteil habe ich immer wieder festgestellt (und ich fahre nun so lange und regelmäßig dort hin, dass ich glaube, mir ein Urteil erlauben zu dürfen), dass die Deutschen auf Kreta eher sehr beliebt sind (Ausnahmen…).
Bei allen Weltmeisterschaften, die ich in Griechenland erlebte, stand dieses Land geschlossen hinter den Deutschen. Nach der WM 1990 rief mir ein Einheimischer nach dem Finalsieg begeistert zu „Kala, pou pírame to kýpello!“ („Prima, dass wir (!) den Pokal/die Weltmeisterschaft geholt haben!“). Und er meinte es ganz ernst!

Doch zurück zur Geschichte und der deutschen Sorge, deshalb auf Kreta ebenso unbeliebt zu sein wie in großen Teilen der Niederlande: Bei einem Spaziergang durch ein kretisches Bergdorf begegnete mir eine schwarz gekleidete alte Frau. Sie fragte mich wie in solchen Dörfern wie üblich nach dem „woher“, und ich antwortete wahrheitsgemäß „ap‘ ti Germanía“. Sie schaute mich lächelnd an und ohne, dass dieses Lächeln auch nur einen Moment nachließ, sagte sie auf deutsch: „Vor vielen Jahren ist gekommen deine Papa, bumm bumm, alles kaputt!“.
Bevor ich noch betroffen schauen konnte, lud sie mich zu einem Kaffee in ihr Haus ein…

Und eine zweite wahre und selbst erlebte Begebenheit (bzw. ein Gespräch). Ein älterer Kreter sagte mir einmal, er könne sofort erkennen, aus welchem Land Touristen stammten, die ihm begegneten, wenn er auf seinem Esel die Straße entlang ritt.
„Ke pós;“ („Und wie?“), fragte ich.
Ich mache jetzt nicht mehr auf Griechisch weiter, sondern liefere gleich die Übersetzung: „Ich rufe ihnen ein freundliches ‚Jassas‘ (Hallo) zu. Wenn sie überhaupt nicht antworten, sind es Franzosen. Wenn sie ‚Hello‘ sagen, sind es Engländer oder Amerikaner. Wenn sie aber ‚Jassas‘ antworten, sind es Deutsche!“

Und ein drittes Erlebnis: Ich fuhr von Agía Galíni nach Iráklion, als mir hinter Ágii Déka ein älterer Kreter vom Straßenrand aus zuwinkte, er wollte nach Iráklion mitfahren. Der Wagen war noch keine Minute wieder unterwegs, da meinte er, ich müsse ein Deutscher sein. Ich war leicht erstaunt und fragte, wie er das denn so schnell wissen könne. Die Antwort war kurz und bündig: „Andere Touristen halten nicht an!“

So schlecht kann der deutsche Ruf in Griechenland also nicht sein. Und wenn man sich über die schreckliche Zeit während der deutschen Besatzungszeit unterhält, bekommt man auch durchaus öfter zu hören: „Die Deutschen waren gute Soldaten. Sie haben zwar viele Gräuel hier verübt, aber sie haben uns nicht im Stich gelassen wie die Engländer!“ Und viele Familien erzählen heute immer noch, dass sie sich mit den bei ihnen einquartierten deutschen Soldaten durchaus verstanden haben.

Womit ich – um das eindeutig klarzustellen – nichts, aber auch gar nichts beschönigen oder relativieren will. Ich gehöre nicht zu jener Generation und „meine Papa“ war nicht auf Kreta. Dass er trotzdem nicht unbedingt ein unbeschriebenes Blatt war, das ist wieder eine andere Geschichte. Ich sehe es jedenfalls so: Die Kreter nehmen die Deutschen mit offeneren Armen auf als andere Nationen – Geschichte ist eben „nur“ Geschichte – und das sollte für jeden deutschen Touristen weiterhin so etwas wie eine große Verpflichtung darstellen.

Keinesfalls sollten und dürfen wir uns auf den Standpunkt zurückziehen, dass Touristen aus vielen anderen Ländern (insbesondere manche aus England und inzwischen auch aus Osteuropa) sich dort schlechter benähmen als wir.
Das mag so sein, entbindet uns aber nicht von der Aufgabe und Verpflichtung, dem Land offen und ehrlich gegenüber zu treten und die gereichte Hand ohne Scheu zu ergreifen.
Und die Kreter schimpfen ja auch überhaupt nicht auf die Deutschen (auch hier gibt es Ausnahmen), da gibt es andere Unverbesserliche aus ganz anderen Ländern.

Machen wir es also nicht genau so, indem wir wieder mit den Fingern auf jene zeigen. Ich bin nicht speziell stolz darauf, als Deutscher (im Jahre 1949) geboren zu sein, aber muss ich mich – und wir alle – denn dafür schämen? Ich glaube eigentlich nicht …