Ich war natürlich nach wie vor mit Yvonne zusammen – bin ich ja heute noch – und ich hatte das Vergnügen, einen kleinen Vorschuss auf mein bescheidenes Erbteil zu erhalten. Also beschloss ich bzw. beschlossen wir, dass unser beider Traum, ein VW-Bus, in Erfüllung gehen sollte. Vor der Kölner Zentralmensa fanden wir ihn und erstanden ihn für 7.000 DeEmmchen. Er hatte nur knapp 100.000 Kilometer runter …
Aber schon, als wir das erste Mal zu Yvonnes Mutter nach Neuss-Norf fuhren, kam das böse Erwachen … Kolbenfresser. Es durfte also noch ein Austauschmotor für weitere 3.500 DM her.
Dann kamen die Semesterferien und wir siedelten als Haushüter ganz nach Neuss-Norf um, mit dem Ziel und der Aufgabe, unseren neuen Wagen nach unseren Vorstellungen gemeinsam aus- und umzubauen. Jeden Tag fuhr ich zum örtlichen Baumarkt, um mir Spanplatten zuschneiden zu lassen, denn unser Auto wurde wirklich „handmade“. Hinter dem Beifahrersitz entstand die Küche mit einen Zwei-Flammen-Gaskocher auf einem selbstgebauten Schrank, in dem die Gasflasche und ein großer Wasserkanister untergebracht wurden. Neben der Küche bauten wir einen Sitz ein, der natürlich darunter Stauraum bot.
Ein großes logistisches Problem stellte das Bett dar: Wenn man die selbstgebaute hintere Sitzbank auf die Höhe des Kofferraums brachte, hätten die Passagiere fast mit dem Kopf an der Decke gesessen. Also wurde getrickst. Die Sitzfläche wurde auf normales Niveau gebracht und ich bastelte zwei einlegbare Abstandshalter, die zum Schlafen die Matratze auf das gleiche Niveau brachte. Die Rückenlehne der Bank befestigten wir variabel … so konnte man sie einfach herausnehmen und auf die zwei Holzkisten legen, die normalerweise hinten im Kofferraum standen und unsere Wäsche enthielten … also entstand alles in allem ein 2,10 Meter langes Bett. Man kann das irgendwie schlecht beschreiben …
Ansonsten gestalteten wir den Bus bewusst so kitschig, wie wir es nie mit einer Wohnung getan hätten. Auf dem Boden ein Fliesenwerk aus Plastik, Wände und Schrank beklebt mit DC-Fix-Mauerwerk, Bett und Sitz mit Flokati bezogen, das Ding sah schon abenteuerlich aus. Leider reichte unsere Zeit nicht mehr, den Dachhimmel blau mit weißen Wölkchen zu bemalen.
Yvonnes ältere Schwester kam rechtzeitig aus dem Urlaub zurück, um uns die roten Blümchengardinen zu nähen.
Und dann war es soweit: Unser Hobbit (so hatte wir ihn getauft) war zum Start in den Süden bereit und wir hatten noch fast 3 Monate Zeit. Zwischenzeitlich hatten wir noch zwei Mitfahrer aufgetan: Peter, ein alter Schulkamerad von Yvonne und … verdammt, ich habe ihren Namen vergessen.
Über die Fahrt durch Deutschland und Österreich gibt es nichts zu berichten.
Kurz hinter Maribor verzogen wir uns in einen Feldweg, um zu übernachten. Sicherheitshalber verrammelten wir den Bus nach allen Regeln der Kunst, aber wir blieben unbehelligt. Am nächsten Morgen pflegten wir uns ausgiebig mit Wasser aus dem gelben Kanister, frühstückten und es ging weiter.
Der Autoput wurde dann spannender, da 30 PS einen VW-Bus nicht gerade sehr zügig vorantreiben. Ich fand aber bald eine gute Möglichkeit, trotzdem zu überholen, indem ich schon frühzeitig auf dem müden Gaspedal stand und erst im letzten Moment ausscherte, wenn der Gegenverkehr vorbei war. Yvonne starb dabei tausend Tode! Nachträglich besehen gebe ich zu, dass diese Fahrweise für Beifahrer wirklich nicht sehr beruhigend war.
Und wir hätten es auch beinahe nicht überlebt, aber das lag nicht an mir. Zwischen Nis und Skopje verlief die Strecke am Hang eines Tales entlang (an dieser Stelle wurden die Karl-May-Filme mit Pierre Brice und Lex Barker gedreht).
Ich fuhr so normal vor mich hin, als hinter mir ein Reisebus zum Überholen ansetzte. Erst einmal störte ich mich wenig daran, aber dann tauchte in der Kurve vor uns ein LKW auf …
Ganz großes Tennis! Bus neben mir, LKW vor uns, Abgrund rechts …
Der Busfahrer hatte zwei Möglichkeiten – eigentlich drei, denn eine Vollbremsung hätte es im Nachhinein betrachtet vermutlich auch getan. Die zwei anderen Möglichkeiten: Frontal in den LKW oder diesen kleinen VW-Bus mal eben von der Straße pusten. Er entschied sich für letzteres, er zog nach rechts. Ich schloss gedanklich mit dem Leben ab.
Das Ganze liest sich hier zwar vielleicht recht gemütlich, es spielte sich aber innerhalb weniger Sekunden ab. Ich trat wie ein Irrer auf die Bremse und wusste, es würde nicht reichen. Neben der Straße war nicht mal ein Meter Platz, dann ging es fast senkrecht nach unten. Und dann war die Rettung da: Plötzlich ein kleiner Ausweichparkplatz, auf dem ich schleudernd zum Stehen kam.
Die anderen schreckten aus ihrem Nickerchen hoch.
„Was ist los?“
„Nichts, schlaft weiter!“
Ich blieb erst einmal zehn Minuten dort stehen und kam allmählich wieder zur Ruhe. Ich war schon ein paar Mal dem Tod von der Schippe gesprungen – ich musste da in diesem Moment an das eine oder andere Bundeswehrerlebnis denken – aber so knapp war es wohl noch nie gewesen. Na, was sollte es, Mund abputzen, weiterfahren.
Es mag langweilig erscheinen, dass unsere erste Station in Griechenland einmal mehr Litóchoro war. Als Erstes war ein ausgiebiges Bad im Meer angesagt, dann fuhren wir nach oben und futterten die obligatorischen Souvlákia. Müßig zu erwähnen, dass wir natürlich wieder erkannt wurden.
Danach ging es wieder den Berg hinauf. Dieses Mal lernten wir eine sehr nette Familie dort kennen, vor allem der Oma hatte es Yvonne angetan. Nach dem ausgiebigen Nachmittag unternahmen wir wieder einen Spaziergang über die Wasserleitung zum Trinkwasserreservoir, wobei allerhand Faxen angesagt waren. Das Tor stand dieses Mal offen, Yvonne wäre in ihrem langen Rock wohl auch nicht über den Zaun gekommen.
Sie konnte es nicht lassen und watete durch das Wasser … na ja, auch meine ganz persönliche Muse war eben eine Quellnymphe … eine hübsche noch dazu.
Den Abend verbrachten wir im Dorf feuchtfröhlich, was man uns am nächsten Morgen auch ansah.