In the Cretan Highlands

Von Wolfgang George

Für den Herbst 2002 hatten wir mal wieder zwei Wochen Kreta geplant, diesmal mit zwei Tagen Aufenthalt in der Gegend von Anógia, bevor wir weiter nach Damnóni/Plakiás fahren wollten.

Am Freitag, 27. September, ging es am Nachmittag mit 1½-stündiger Verspätung (die Fluglotsen in Griechenland machten gerade mal wieder Dienst nach Vorschrift) ab Köln/Bonn nach Iráklion. Nach Übernahme unseres Mietwagens brachen wir Richtung Anógia auf, dem größeren Nachbardorf unseres Zieles Axós.

Beim Durchfahren von Anógia bot sich uns ein Bild, das wir bisher in keinem anderen kretischen Dorf gesehen hatten. Es waren noch viele Leute auf den Beinen und es gab eine Unmenge Kafenía an der Durchgangsstraße, die alle gut besetzt waren. Darunter viele Männer in traditioneller Tracht, urige Typen mit Gesichtern, die von einem anstrengenden Leben erzählten. Typen, wie ich sie in dieser Vielzahl selten in Kreta gesehen hatte. Die Männer des Dorfes verbrachten den Abend offensichtlich in den Kafenía. Alles machte den Eindruck eines wohlhabenden, intakten Dorfes.

Gegen 22:30 Uhr erreichten wir Axós und nahmen uns nun den handgemalten Anreiseplan zu unserem Hotel Enagron vor, den wir einige Tage zuvor per Fax erhalten hatten. Außerdem kündigten wir telefonisch unsere verspätete Ankunft an. Eine freundliche Stimme teilte uns mit, welchen grünen Schildern wir folgen sollten und dass wir abgeholt würden.
Wir machten uns aber schon mal auf den Weg, der sich nach kurzer Strecke als ziemlich halsbrecherisch erwies. Dann sahen wir in der Ferne Lichter, die uns näher kamen. Schließlich erkannten wir einen Geländewagen, der wendete und auf uns wartete.

Bei der Ankunft stellte sich uns Jorgos vor und zeigte uns unser Appartement, das erwartungsgemäß wunderschön war und sich vor allem durch eine Karaffe Tsikoudiá zur Begrüßung auszeichnete. Während Christa übermüdet ins Bett fiel, ging ich zurück zum Gebäude mit der Rezeption, auf einen Balkon hinter der Lounge, um noch etwas mit Jorgos zu plaudern und mehr über das Hotel und die Gegend zu erfahren.
Er zauberte eine Karaffe Wein und einen Teller mit würzigem Bergkäse aus der Psilorítis-Gegend herbei. Es war trotz ca. 700 Meter Höhe ein sehr milder Herbstabend und ich entspannte mich herrlich von den Strapazen der Anreise. Jorgos hatte noch längere Zeit mit dem Schließen div. Türen und Löschen div. Lichter zu tun, bevor er sich zu mir gesellte. Er musste dann aber noch unbedingt den im TV laufenden Film bis zum Ende sehen (The Gladiator, natürlich Englisch mit griechischen Untertiteln), bevor er noch etwas kretische Musik auflegte. Wein und Käse weckten meine Lebensgeister und ich ließ es mir gut gehen. Wir schienen an diesem Abend die einzigen Gäste zu sein.

Der nächste Tag begann mit einem Frühstück mit vielen regionalen Produkten und wieder versprach es, ein schöner sonniger Tag zu werden. Wir wollten die Ida-Höhle (Idaíon Ándron) auf 1538 Meter Höhe am Psilorítis in der Nähe der auf 1300 Metern liegenden Nída-Hochebene besuchen. In dieser Höhle wurde der griechischen Mythologie zufolge Zeus von der Amme Amalthaea versteckt, einer Nymphe, die in Gestalt einer Ziege den jungen Zeus mit Ambrosia und Nektar aufzog, die ihren zwei Hörnern entströmten.

Wir brachen also mit dem Auto auf und fuhren über Anógia Richtung Nída. In Anógia wollten wir noch kurz unsere griechische Prepaid-Karte aufladen, was uns dann auch mit Hilfe eines etwas englisch sprechenden Jugendlichen und zweier kichernder Mädchen gelang. Inzwischen war die Sonne verschwunden und es hatte angefangen zu regnen. Einige Kilometer hinter Anógia entdeckte ich rechts am Straßenrand plötzlich einen Wegweiser, auf dem ich das Wort „Yakinthos“ entziffern konnte. Wir folgten dem Weg und kamen nach einigen hundert Metern zu einem Platz mit einer Kapelle, die von einem alten Mann „bewacht“ wurde. Wir standen tatsächlich vor der von dem Dichter und Musiker Loudovikos gestifteten Yakinthos-Kapelle, an der jedes Jahr im Juli das von ihm initiierte gleichnamige Festival kretischer Musik und Lyrik stattfindet.
Die Kapelle ist in Form eines Mitáto gebaut, wie die nur im Sommerhalbjahr bewohnten Schäferhütten der Nída-Hochebene genannt werden. Sie sind ohne Mörtel aus übereinander geschichteten flachen Feldsteinen in Iglu-ähnlicher Form gebaut und finden sich ähnlich auch an anderen Stellen des Mittelmeerraums.
Die Yakinthos-Kapelle ist natürlich etwas größer als ein Mitáto, besticht aber wie diese durch ihre schlichte archaische Form.

Später kauften wir uns in Rethymnon eine Life-CD vom Yakinthos-Festival 2001. Inzwischen sind die auftretenden Künstler alle irgendwo unter Vertrag, so dass keine weiteren Life-CDs produziert werden dürfen.

Zurück auf der Straße, die durch zwischenzeitlichen Regen ziemlich rutschig geworden war, ging es weiter Richtung Nída. Wir erreichten einen Pass, der den Übergang zur Hochebene bildet. Langsam fuhren wir am Rand dieser großen Ebene entlang, bis wir am nördlichen Rand die Nída-Taverne erreichten. Hier endet die Straße und es führt lediglich eine mit einer Schranke versehene Piste weiter in Richtung Psíloritis und dann zur Südküste.
Wir erfuhren, dass die Ida-Höhle nur einige hundert Meter von der Taverne entfernt sei und gönnten uns zunächst einen griechischen Salat, bevor wir weitere Pläne machten – es regnete nämlich inzwischen in Strömen und wir waren uneins, ob wir noch zur Höhle laufen sollten oder nicht.

Inzwischen kamen laufend einzelne Bergsteiger und kleine Gruppen, die zu einer französischen Bergsteigergruppe gehörten, die eigentlich den 2456 m hohen Psíloritis besteigen wollten. Nach und nach hatten aber alle aufgegeben und kamen, teilweise bis auf die Haut durchnässt, in die Taverne zurück.

Wir überblickten von hier aus die Ebene, die sich in der Ferne durch die vom Regen gebildeten Schleier fast verlor. Es gab immer wieder Bereiche, die mit weißen Punkten gesprenkelt waren, vermutlich Schafe. Menschen oder Pick-ups waren nicht zu sehen. Immerhin ist die Ebene so groß und flach, dass sie im zweiten Weltkrieg von den Deutschen als Flugzeuglandeplatz genutzt wurde. Die Kreter verteilten aber als Gegenmittel zahlreiche Felsblöcke auf der Ebene, die das schließlich verhinderten.

Zu guter Letzt wurden wir doch einig, gemeinsam zur Ida-Höhle zu laufen und kamen dort nach ca. 30 Minuten ziemlich nass an. Nach kurzem Aufenthalt und einigen „Beweisfotos“ traten wir den Rückweg an und entledigten uns, am Auto angekommen, der nassen Jacken.
Wir nahmen noch zwei der französischen Mädchen nach Anógia mit. Sie waren recht froh, nicht wie ihre Freunde bei strömendem Regen auf der Ladefläche eines offenen Pick-up zurückfahren zu müssen.

Auf der Rückfahrt merkten wir noch mehr, wie heikel es war, bergab und ohne ABS – wie bei Mietwagen auf Kreta üblich – auf diesen regennassen Straßen zu fahren, deren Beläge definitiv nicht auf Griffigkeit bei Nässe optimiert sind. Wahrscheinlich werden im Sommer auch nicht allzu viele Touristen auf Kreta in die Verlegenheit kommen, auf nassen Strassen herumfahren zu müssen!

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