Sonntag, 1. Juli – Kreta 2001

Ich schlafe lange und nehme als Frühstück nur einen eiskalten Frappé zu mir. Mein Versuch, Essen und Trinken zu bezahlen, schlägt natürlich fehl. Da ich andererseits vermeiden will, dass man mich hier ankettet, mache ich mich lieber mit herzlichem Dank vom Acker. Und vergesse beinahe meine Gitarre! Das wäre grande Katastroph gewesen, ist aber gerade noch gut gegangen.
Weiter Richtung Ierápetra also.

PicturesKJ/gournia3.jpgKurz hinter Goúrnia und kurz vor Pachiá Ámmos spiele ich ein ganz persönliches Glücksspielchen. Wenn es genau an der Abzweigung nach Ierápetra (gleich hinter Pachiá Ámmos) nicht mehr als 50 Kilometer bis Sitía sind, dann fahre ich den Schlenker dahin eben auch noch. Bis heute Abend bin ich dann schon in Ierápetra. Ich verliere das Spiel, denn das Straßenschild an der Abzweigung weist 49 Kilometer aus. Also weiter geradeaus. Der kleine Swift schnurrt brav alle Steigungen hinauf und ebenso brav um alle Kurven.

Schon nach weiteren 20 Kilometern versichere ich ihn endgültig meiner Zuneigung: „Kleiner, ich tausche dich Dienstag nicht um, wir bleiben die 14 Tage zusammen!“

Darüber ist er so begeistert, dass er spontan den linken Seitenspiegel zersplittert, als ich diesen zum wiederholten Male richten will. Was soll’s, es sind ja noch zwei andere Spiegel da!
Mein linker Unterarm verfügt längst über einen respektablen Sonnenbrand, also kaufe ich mir in Sitía Sonnenmilch und gleich noch was gegen die Mücken. Ein Spaziergang durch den Ort ergibt wenig grundlegend Neues. Aber ich erfahre bei der Gelegenheit, dass der neue Flughafen beste Fortschritte macht und noch dieses Jahr eröffnet werden soll.

Dann geht es noch weiter Richtung Osten, weil mir wieder eingefallen ist, dass an der Straße dorthin ein schwäbisches Ehepaar eine „Schwarzwälder Stube“ eröffnet haben soll. Ich brauche so etwas prinzipiell hier ja nicht, Fotos kenne ich schon aus dem Internet, aber das muss ich doch mal in natura sehen. Und außerdem hat Frank Weide mich explizit eingeladen.

PicturesKJ/christa1.jpgIrgendwann begegnet mir ein Schild rechts der Straße: „Noch 3 KM – Wurstsalat, Radler, Weißbier!“ Ich komme mir tatsächlich für einen Moment vor wie im falschen Film. Egal, jetzt geht es einfach tapfer weiter … und dann plötzlich an der Abzweigung zum Kloster Toplou: Vorne Steine und Macchia, hinten, rechts und links dito und direkt vor mir ein großes blau-weißes Schild: „Christas Bauernstube“.

Ich parke und nähere mich ganz vorsichtig, damit die Fata Morgana nicht wieder verschwindet. Dann stelle ich aber fest, es ist alles echt und wirklich da! Ist denn sonst keiner da?
Als ich näher komme, öffnet sich die Tür und ein weißbehüteter Mann schaut mir entgegen. Und dann tatsächlich ein schwäbisch angehauchtes und freundliches „Hallo!“
„Hallo, ich bin der Klaus!“
„Ja?“
Das reichte wohl offensichtlich doch nicht so ganz! Also ein zweiter Versuch mit etwas mehr Betonung.
„Kreta-Klaus. Sagt Ihnen das irgend etwas?“

PicturesKJ/christa4.jpgJetzt lächelt er noch freundlicher und erklärt mir, das sei sein Sohn, mit dem ich bisher Kontakt hatte. Er selbst heißt Walter und bittet mich sogleich in die gute Stube hinein. Wo bin ich hier gelandet? Rot-weiß karierte Tischdecken auf massiven Schwarzwälder Möbeln, an den Wänden diverse Accessoires, die sicherlich nicht von hier stammen. Unglaublich! Mittendrin Christa, die Chefin und Walters Frau.

Wir vertragen uns schnell bestens und sie vertraut mir an, dass sie bisher noch nirgendwo auf der Welt auf diversen Reisen ein deutsches Lokal vermisst hätte. Dabei klingt aus ihrer Stimme fast so etwas wie Verwunderung, dass sie und Walter nun genau so etwas verwirklicht haben.

Ich bleibe fast sechs Stunden bei den beiden sitzen und stelle immer mehr fest, sie sind zwei „absolut liebenswert Verrückte“! Und Christas Wurstsalat ist wirklich hervorragend. Wir lachen uns gemeinsam schief, als wir versuchen, für die Speisekarte des Lokals für Griechen verständliche Übersetzungen für „Vesperteller“ (Walter sagt natürlich Veschperteller) zu finden. Zum Schluss wird es „Loukanikópiato“.

PicturesKK/christa2.jpgDie Zeit rast dahin. Walter zeigt mir alles, unter anderem auch seine gärtnerischen Bemühungen. Nächstes Jahr ist das hier sicherlich ein Blumenmeer! Und dann ist es plötzlich fast Abend. Diesmal lehne ich das freundliche Angebot, im Lokal zu schlafen, dankend ab, denn jetzt möchte ich doch eigentlich wirklich noch nach Ierápetra.

Das Feilschen um die Rechnung wird zum Schluss noch einmal spaßig. Walter verlangt pauschal 20 DM, was angesichts meines Verzehrs lächerlich ist. Ich schlage deutlich mehr vor, aber er bedeutet mir, er sei hier der Chef. Ich habe also schon wieder verloren. Das sollte nicht zur Gewohnheit werden!

On the road again. Die Sonne steht schon ziemlich tief, zum Fahren sehr unangenehm.
Von unterwegs erreiche ich Rainer in Ierápetra und kündige meine Ankunft in ca. 1 1/2 Stunden an.
„Kannst du mir bitte ein Zimmer klar machen?“
„Dufte, dass du kommst. Das Zimmer ist längst geregelt, ist alles voll im Griff!“

Also dann. Der kleine Swift macht mir weiterhin Spaß und ich fliege die kurvenreiche Strecke nach Ierápetra fast wie Walter Röhrl hinunter. Na ja, fast! Zum Schluss steht die Sonne so tief, dass ich mögliche Hindernisse auf der Straße nur noch ahne. Röhrl hatte für so was immer einen Beifahrer! Also dann doch ein bisschen vorsichtiger!

Rainers Büro „Protos“ in Ierápetra ist schnell gefunden. Sein Vater hält dort die Stellung. Mich treibt es dringend auf die Toilette, aber die gibt es nur gegenüber im Café California. Ich will – höflich wie ich sein kann – da nicht rein laufen, ohne was zu verzehren, also frage ich, ob ich uns was zu trinken mitbringen soll.
„‚N‘ kleenet Bier wär jut!“

Also zwee kleene Biere. Ich will sie gerade bezahlen, da kommt Rainer reingestürmt, bestellt ein drittes kleenes Bier und verhindert das Zahlen wieder einmal. 3:0 für Kreta, ich gerate hoffnungslos in Rückstand.

Im Büro geht es zu wie in einem Bienenstock, aber Rainer (ein echter Entertainer – „heute is nix los hier“) hat alles im Griff. Und er gehört zu den wenigen Leuten, die noch mehr reden als icke. Na ja, Berliner …
Später holt mich Manolis ab, der Besitzer der „Cretan Villa“, in der ich mein Nachtquartier finden soll. Das Hotel sieht wirklich so aus, wie es heißt, es liegt ruhig und zentral zugleich. Dort lerne ich auch Manolis‘ Freundin Despina kennen. Wenig später kreuzt dann auch Rainer auf und entführt mich zu einem nahrhaften Abstecher in den Fischerhafen. Danach treffen wir die beiden anderen im „Odíon“ wieder, einem gemütlichen Gartenlokal im Zentrum. Eine sehr gute Wahl, denn am Meer ist es recht windig.

Danach schlafe ich wie ein Stein und bemerke nicht einmal, dass mich die erste Mücke dieses Urlaubs besucht.