Die nette Tavernentochter, damals etwa 16 Jahre alt, war und ist ein sehr begabter Mensch. Zuvorkommend, immer gut gelaunt und mit reichlich Charme ausgestattet. Da ich sie von klein auf kenne und ihre Talente fördern wollte, brachte ich ihr im nächsten Jahr einen Komplettsatz Langenscheidt mit. Das volle Programm: Deutsch-Griechisch / Griechisch-Deutsch, Grammatik und Kassette inklusive.
Sie freute sich auf die ihr ungemein sympatische Art, zumal ihr Vater lange Jahre in Deutschland gearbeitet hatte.
Seine Taverne war und ist wegen seiner Deutschkenntnisse (und natürlich des guten Essens und der Atmosphäre wegens) von Deutschen sehr gut besucht. Töchterchen hatte sich immer geärgert, dass ihr Herr Papa mit seinen deutschen Witzen die gesamte Taverne unterhielt und sie nicht ein Wort verstand. Also versprach sie mir, über den Winter fleißig zu lernen, dann würde es besser gehen.
Erwartungsschwanger traf ich sie im nächsten Jahr und fragte zunächst auf Deutsch: „Kannst du jetzt ein bisschen Deutsch?“ Antwort: „Nix Deutsch!“ Ich fragte nach dem warum, worauf sie feststellte, dass ihr Herr Bruder, 2 Jahre älter als sie, sich den Langenscheidt unter den Nagel gerissen hätte. Hmm…
Einige Tage später in der Taverne, Mittagszeit, volles Haus. Die Gäste möchten bedient werden, Hektik bei der Tavernen-Familie und ihren Angestellen. Der Chef des Hauses scheucht seinen recht ungeschickten, groß gebauten Sohn um die Tische. Alles geschieht in griechischer Sprache, bis dahin hat Sohnemann noch keinen Satz Deutsch von sich gegeben.
Nach einiger Zeit der Hektik und der Treiberei durch seinen Vater wird es ihm zu bunt: Er hält inne, was die gesamte Taverne mitbekommt. Er murmelt ein paar Flüche auf Griechisch, um dann in allerfeinstem Deutsch seinen Vater anzuherrschen:
„Papa, in der Ruhe liegt die Kraft!“
Vor lauter Lachen konnte kaum noch einer der Gäste eine Gabel in die Hand nehmen…
Von Roger Möckel