Das, was man hierzulande als griechische „Folklore“ gerne vorgesetzt bekommt (sei es nun die Musik des ansonsten zu Recht verehrten Theodorákis oder irgendein Belcanto knödelndes Männerterzett), hat mit ihr wenig zu tun. Ebensowenig ist das Bousoúki ein griechisches Volksmusikinstrument (siehe da!), auch der Sirtáki (bzw. das, was uns Anthony Quinn als Aléxis Sorbás auf kretischem Strand vorführt) ist kein Volkstanz.
Die griechische Volksmusik stützt sich auf Blas-, Zupf- und Schlaginstrumente wie Flöten, Klarinetten, Dudelsäcke, Lauten, Fiedeln und aller Art Trommeln und Tambourins.
Insbesondere die kretische Volksmusik kennt aber eigentlich nur zwei typische Instrumente: zum einen die Lýra, eine kleine dreisaitige Fiedel, die auf dem Knie aufgestützt gespielt wird, und zum anderen das Laoúto, ein lautenähnliches Zupfinstrument, das Lýra und/oder Sänger begleitet (nur selten und auch erst neuerdings kommt auch mal eine Gitarre dazu).
Kretische Musik wirkt für viele im ersten Moment etwas monoton. Daran gewöhnt man sich schnell, denn diese Musik passt einfach zu Land und Leuten. Störender wird oft empfunden, daß sie fast nirgends mehr pur zu hören, sondern fast immer kräftig verstärkt ist (im Umgang mit elektrischen Verstärkern haben die meisten Griechen keine sehr glückliche Hand). Bei Festen und Festlichkeiten kann man auch einige 100 Meter weiter entfernt ganz gut der Musik lauschen.
Im Prinzip lassen sich kretische Lieder in zwei Sparten aufteilen: Lieder zum Zuhören und Lieder zum Tanzen (die Kreter tanzen allerdings oft auch auf die Lieder, die eigentlich zum Zuhören gedacht sind). Die ersteren sind fast immer „Mantinádes“ oder „Kontyliés“, kurze (fünfzehnsilbige) Zweizeiler, deren Text der Sänger oft spontan improvisiert, auch auf Zurufe aus dem Publikum hin.
Die bekanntesten kretischen Volkstänze (und die damit verbundenen Musikrhythmen) sind Chaniótikos, Pentozális, Malevisiótikos (alles schnelle Reigentänze) und Soústa.
Zur Vorbereitung oder Nachbereitung des Urlaubs seien hier Platten der Musiker Vassílis Skoulás, Kóstas Mountákis, Charálambos Garganourákis, Níkos Skevákis und natürlich der drei Brüder Xyloúris, Níkos und Jánnis sowie Psarantónis empfohlen.
Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich finde aber, die Genannten gehören zum Besten, was Kreta zu bieten hat.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Sirtáki gehört weder zur griechischen noch zur kretischen Volksmusik, er ist wie das Bousoúki ein Element bzw. Produkt des Rembétiko-Tragoúdi, der Musik aus dem Halbweltmilieu haschischrauchender Emigranten aus Kleinasien, die gerne mit dem Blues verglichen wird, ein griechischer Blues freilich. Eine Musik, aus der alle großen zeitgenössischen griechischen Musiker wie Míkis Theodorákis, Mános Chatsidákis, Mános Loísos, Ilías Andriópoulos (und wie sie alle heißen) geschöpft haben und die dadurch außerhalb Griechenlands so bekannt wurde, daß sie oft fälschlicherweise für Volksmusik gehalten wird.
Tatsächlich sind die Grenzen zwischen Volks- und Kunstmusik in Griechenland sehr fließend, da sich bis heute die Musikschaffenden immer ihrer Wurzeln erinnern, selbst Rockmusiker.
Und es gibt wieder viele junge und interessante Gruppen, die sich der alten Rembetika erinnern und sie wieder erfolgreich spielen!