Es war später Nachmittag, die Hitze hatte aber bisher nur wenig nachgelassen.
Stefan hatte das Ziel seiner Wanderung fast erreicht. Mit dem Bus war er am Morgen in die Berge gefahren, um durch ein wasserreiches enges Tal wieder zurück nach Norden zum Meer zu gelangen. Er hatte die Ruhe genossen, denn er war niemandem begegnet. Unten am Meer sah es schon ein wenig anders aus.
Das letzte Stück des Weges zurück ins Dorf musste er zu seinem Missfallen auf der Straße zurücklegen, die sich oberhalb der Buchten in die abfallenden Hänge gefressen hatte. Zum Glück war hier kaum Verkehr, da die meisten die ein Stück weiter im Landesinneren verlaufende neuere Nationalstraße benutzten.
Von der alten Straße aus hatte man einen guten Blick hinunter in die Badebuchten, die um diese Zeit ziemlich bevölkert waren.
Stefan beschloss, eine kleine Pause einzulegen und ein paar Schlucke von dem inzwischen schalen Wasser aus seinem Rucksack zu trinken. Er setzte sich mit dem Rücken zur Straße auf die Leitplanke und beobachtete während der Rast mehr gelangweilt die Badenden. Die Straße verlief hier besonders dicht am Meer, bis zum Wasser waren es keine fünfzig Meter. Etwa 15 Menschen bevölkerten den schmalen Strand.
Stefans Blick blieb auf einer Gruppe hängen, die unter großem Hallo Volleyball spielte. Ihre Stimmen klangen bis zu ihm herauf, Stefan konnte aber nicht verstehen, in welcher Sprache sie sich verständigten. Ein wenig klang es nach Deutsch.
Vor allem eine jüngere Frau fiel ihm auf, die sich bei dem wilden Spiel besonders auffällig einsetzte. Sie war nicht sehr groß, schlank, aber doch sehr hübsch weiblich gebaut, was ihr knapper Bikini deutlich unterstrich. Eigentlich war es sogar momentan kein Bikini, denn wie die anderen Frauen auch trug sie kein Oberteil. Ihre hübschen Brüste wippten und die halblangen dunkelblonden Haare fielen ihr wild ins Gesicht, wenn sie hoch sprang, um einen Ball zurück zu schlagen. Je länger ihr Stefan zuschaute, desto mehr gefiel sie ihm.
Er vergaß, dass er eigentlich nur eine kurze Rast machen wollte und blieb entspannt auf der Leitplanke sitzen. Ihm wurde überhaupt nicht bewusst, dass ihn die Badenden für einen Spanner halten könnten, wie er hier so saß und ihnen zuschaute. Er freute sich nur am unbeschwerten Vergnügen, welches ihnen das Ballspiel offensichtlich bereitete, so dass er überhaupt nicht bemerkte, wie lange er nun schon hier saß.
Zwischendurch wurde er immer wieder einmal von Flugzeugen abgelenkt, die sich hier schon relativ niedrig über dem Meer im Landeanflug befanden. Eines davon fesselte seine Aufmerksamkeit länger, denn es kam ihm vor, als flöge es noch niedriger als die anderen. Gebannt verfolgte er seine Flugbahn, bis es zu seiner Erleichterung hinter der Klippe verschwand und nicht etwa dagegen flog, wie er schon befürchtet hatte.
Plötzlich schien es ihm, als ob sich Leitplanke, auf der er saß, ganz leicht bewegte. Er schaute auf und bemerkte, dass er überraschend Gesellschaft bekommen hatte.
Sie saß sehr dicht neben ihm und trug jetzt ein Oberteil. Als er sich leicht erschrocken ruckartig zu ihr umdrehte, stieß sein Knie ungewollt heftig gegen ihren Oberschenkel.
„Oh, Entschuldigung!“
Sie lächelte und stieß ihrerseits mit dem Knie etwas sanfter gegen sein Bein.
„Selber Entschuldigung! Ich hätte mich ja ein Stück weiter weg setzen können. Die Insel wäre groß genug.“
„Äh … ja … das stimmt natürlich.“
„Was machst du denn hier so alleine? Ist das so gemütlich hier auf der Leitplanke?“
„Ich ruhe mich nur aus, ich habe ein ganzes Stück Wanderung hinter mir. Und außerdem sitzt man hier doch ganz schön mit dem Blick auf das Meer …“
Sie lächelte.
„Und was gefällt dir besser, die Flugzeuge oder die Mädels am Strand?“
Stefan fühlte sich auf einmal sehr unbehaglich.
„Ach, meinst du, ich sitze hier, um euch zu beobachten?“
Ihr Lächeln verstärkte sich.
„Zumindest sitzt du schon länger da. Und ich habe mir große Mühe gegeben, gut zu spielen und auszusehen, wenn ich denn schon Publikum habe.“
„Das ist dir beides auch gelungen …“
„Danke für Blumen. Ach apropos, schau mal die hier, ist die nicht hübsch?“
Sie beugte sich scheinbar absichtslos halb über Stefan hinweg, wobei sie ihren Oberkörper wie zufällig gegen seine Oberschenkel drückte, pflückte eine leuchtend blaue Blume und hielt sie ihm hin.
„Doch, die ist sehr schön …!“
„Ich schenke sie dir. Als Erinnerung.“
„Als Erinnerung an dich?“
„An das Meer, an den Sonnenuntergang … und natürlich auch an mich!“
Er nahm die Blume entgegen und roch daran.
„Sie ist wirklich hübsch und riecht gut.“
„Na warte mal, bis ich geduscht habe.“
Sie lächelte spitzbübisch.
„Wohnst du auch hier im Dorf?“
„Ja …“
„Dann warte hier. Ich hole nur meine Sachen, dann können wir zusammen gehen. Oder magst du keine Gesellschaft?“
„Doch natürlich, aber …“
Sie beugte sich wieder herüber und drückte sich diesmal sanfter an ihn. Ihre Lippen näherten sich den seinen.
„Nix aber, mitgegangen mitgefangen …“
Sie wartete keine weitere Antwort ab, gab ihm einen ebenso zarten wie flüchtigen Kuss und eilte dann zum Strand hinunter. Stefan beobachtete, wie sie sich ein langes T-Shirt überstreifte, nach ihrer Badetasche griff und nach einigen Worten zu den anderen, die das Ballspielen inzwischen beendet hatten, wieder zu ihm heraufstieg.
Die Gruppe folgte ihr kurz mit Blicken, einer sagte etwas, das Stefan nicht verstand. Die anderen lachten.
Als sie wieder bei ihm ankam, schüttelte sie sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn diesmal intensiver. Stefan wurde es warm.
„Lass uns gehen, ich hätte Lust auf ein Eis!“ sagte sie und schob ihre Hand in die Seine. Neben der hohen Klippe im Osten versank die Sonne im Meer.