Freitag, 6. Juli – Kreta 2001

„Rölfchen“ aus Berlin hat mich am Abend vorher gefragt, ob ich ihn evtl. am nächsten Tag nach Timbáki bringen kann. Sein Auto ist dort in Reparatur und er kann es gegen Mittag abholen. Natürlich kann ich ihn fahren, es sind ja nur ein paar Kilometer.

Ich bin pünktlich bei ihm und das Auto ist tatsächlich fertig. Also unternehme ich jetzt etwas auf eigene Faust. Ich habe von einer neuen Asphaltstraße gehört, die von Gerakári quer durch das Kédros-Gebirge führt. Da ich diese noch nicht kenne und auch die ganz alte Strecke von Süden nach Réthymnon über Agía Paraskeví und Áno Méros lange nicht mehr gefahren bin … auf geht’s.

Am Ortsausgang von Timbáki bremse ich neben einem jungen rucksackelnden Paar. Sie wollen nach Agía Galíni und dann weiter nach Spíli (wie sich später herausstellt, wollen sie eigentlich im Endeffekt nach Plakiás bzw. Mýrthios). Da ich nach Spíli fahren will, wenn auch nicht auf dem ganz direkten Weg, biete ich ihnen an, eine knappe Stunde ihrer Urlaubszeit zu investieren und mich auf meinem „Umweg“ zu begleiten. Außerdem würden sie diese Strecke unter normalen Umständen nicht einmal aus der Entfernung zu Gesicht bekommen. Natürlich finden sie das ein gutes Angebot.

Während sich der Jeep die schmale Straße entlang immer höher ins Kédros-Gebirge schraubt, quatschen wir über Kreta und die Welt, griechische Mythologie, ungiftiges Gewürm, Familienfeiern und was uns sonst noch so alles einfällt. Es ist eine für alle Teile unterhaltsame Tour.

Tatsächlich ist die Straße von Gerakári nach Spíli sogar ausgeschildert. Viel mehr weiter bergan geht es nicht mehr und dann führt die Straße in engen Kurven und mit herrlichen Ausblicken hinunter ins Spíli-Becken. Einen 20 cm tiefen Graben quer über die Straße übersteht unsere Vorderachse wider Erwarten unbeschadet.

PicturesKJ/spili.jpgDa ich allmählich Hunger bekomme, lade ich sie auf einen kleinen Imbiss in Spíli ein. Aber erst sollen sie natürlich den berühmten Brunnen bewundern. Die Löwenköpfe sind neu geweißt und das eiskalte Wasser erfrischt wie gewohnt. Hinterher sitzen wir dann im Lokal „Jannis“ unweit des Brunnens und lassen uns „Apáki“ (geräuchertes gegrilltes Schweinefleisch) mit köstlichen Kartoffeln und Salat schmecken.

Danach schlage ich ihnen vor, noch ein paar Kilometer weiterzufahren, bis zu dem Platz, wo sie in den Bus von Réthymnon nach Plakiás umsteigen können. Entweder merken sie es nicht oder sie lassen es sich nicht anmerken, dass wir längst diese Stelle passiert haben und die Kourtaliótiko-Schlucht durchfahren. Ich erzähle ihnen etwas über die Quellen des Megalopótamos, die unterhalb der Straße in einer Felswand entspringen. Leider können oder wollen wir ihr Gepäck im offenen Jeep nicht ganz unbeaufsichtigt an der Straße stehen lassen, also entfällt der Spaziergang hinunter. Wir schnurren weiter die schmale und kurvige Straße entlang, bis plötzlich (und vollkommen unerwartet *g) hinter einer Kurve das Ortsschild von Mýrthios auftaucht.
„Voilá, da sind wir!“

PicturesKJ/kourtaliot1.jpgSie geben sich ein wenig überrascht und natürlich sehr erfreut, denn mit einem solchen Lift hatten sie wirklich nicht gerechnet. Sie versprechen noch, dass sie mir irgendwann etwas über ihre weiteren Erlebnisse auf Kreta berichten wollen (bisher – Vorwurf! – ist das allerdings nicht geschehen), dann lasse ich sie in der Taverne „Panorama“ mit herrlichem Blick auf die Bucht von Plakiás zurück.

Auf der Rückfahrt durch die Kourtaliótiko-Schlucht schaue ich mir noch das in den Felsen gebaute Kirchlein der Agía Paraskeví an, welches einem eigentlich nur auffällt, wenn man von dieser Seite aus durch die Schlucht fährt.
Gut gelaunt geht es zurück nach Agía Galíni in dem Bewusstsein, vielleicht ein ganz kleines bisschen von der Gastfreundschaft, wie ich sie nicht nur in den vergangenen Tagen erlebte, weiter gegeben zu haben.

Abends sitze ich wieder bei Kyriákos und Heidi im „Romantika“, aber ich werde auch nicht richtig alt dort.