Kirchen, Klöster, Kurven Teil 2 – Kreta 2004

Wir passieren Asómatos und Marioú und erreichen Mýrtios. Der sonst so asketisch brave Frank äußert den Wunsch, etwas zu trinken … gute Idee. Natürlich setzen wir uns ins „Panórama“, die beiden kennen diesen Superblick noch nicht, und nehmen geruhsam unser zweites Frühstück in Form von drei Mythos zu uns. An den Nachbartisch setzen sich zwei junge Leute, die sich offensichtlich erst seit gestern kennen. Man müsste noch mal dreißig sein!

„So weiter geht’s, Jungs! Frank, pack die Filmkamera aus, du bekommst jetzt eine weitere Schlucht vor die Linse!“
Ich fahre von unten durch die Kotsífou-Schlucht und drehe am oberen Ende. Frank stellt sich auf den Beifahrersitz und zwängt sich durch das Schiebedach hinaus, und dann lasse ich den Wagen sanft wie ein rohes Ei wieder nach unten rollen. Ich habe die Aufnahmen schon gesehen, sie sind sehr gelungen. Allerdings hat sich Frank da draußen fast den Ast abgefroren.

Weiter geht die Fahrt nach Rodákino, wo ich für alle Fotografierer vor der berühmten Brücke links ran fahre. Das war auch gut so, denn drei Reisebusse schieben sich quälend langsam über die Brücke, wir hätten sowieso keine Chance gehabt zu passieren.
Dann aber ist die Strecke wieder frei. Ein Athener Mercedes geistert als typischer Sonntagsfahrer durch Áno Rodákino vor uns her, am Ortsausgang aber gebe ich dem kleinen Fiat die Sporen und blase den Dicken mit der Hupe zur Seite. Die Beschleunigung des Babies ist schon wirklich OK, wie wir auch später wieder merken.

Weit reicht der Blick über die Kurven nach unten und wir sehen einige Kilometer vor uns einen kleinen blauen Punkt, der über die Straße kriecht.
„Was meint iIhr, wie lange brauchen wir, bis wir diesen Wagen haben?“
„Sicher nicht lange …“, meinen die beiden lakonisch. Zuerst aber stoppen wir noch mal, um eines unserer unzähligen Kirchenfotos zu machen.
Kurz vor dem nächsten Dorf haben wir dann den Blauen vor uns, eindeutig mit Touristen besetzt. Ich komme wohl so zügig von hinten angeflogen, dass die Fahrerin lieber gleich rechts ranfährt. Das wäre nun aber wirklich nicht nötig gewesen!

In Chóra Sfakíon wird es nun aber Zeit, endlich mal etwas zu essen.
Wir schlendern über die Uferpromenade, denn wir haben Hunger. Vor einem Lokal namens „Samaria“ sieht die Wärmetheke sehr interessant aus. Aber bleib mal kurz stehen, schon hast Du einen Werbemann an der Seite. Wortreich beschreibt er uns auf Englisch die wirklich lecker aussehenden Speisen! Frank und Chelmiii verlassen sich auf mich und sagen gar nichts. Ich unterbreche den Wortschwall: „Ke ti íne avtó edó?“ (und was ist das hier?). Der Mann ist kein Dummkopf! Augenblicklich wechselt er in die griechische Sprache und erklärt alles noch mal! Damit imponiert er mir, denn gerade in Touristengegenden merken die Kreter oft überhaupt nicht, wenn man mit ihnen in ihrer Sprache spricht. Und außerdem sieht alles, wie schon erwähnt, lecker aus. Ich äußere noch ein paar Sonderwünsche bezüglich der Beilagen, was natürlich kein Problem ist. Langer Rede kurzer Sinn: Es ist zwar wohl kein Feinschmeckerlokal, aber wir haben trefflich gut gegessen (vor allem Franks „Plaki“ – gegrillte Fischstücke – war ungemein lecker und auch Chelmiii und ich fanden unsere für griechische Verhältnisse mit viel Pfeffer gewürzten Keftedákia in Sauce sehr gut) und uns dazu das zweite Mythos des Tages schmecken lassen.

Und nun auf in die Berge! Die Serpentinen oberhalb von Chóra Sfakíon sind schon eine Wucht. Bedauernd sehe ich, dass sich ein Stück (ein Kilometer) vor uns ein Bus den Berg hinaufquält.
„Hinter dem hängen wir jetzt bis ‚Imbros, außer er ist ein netter Kerl!“
Wir laufen tatsächlich schon wenig später auf den Bus auf, die engen Kurven machen ein Überholen unmöglich. Doch dann … ein kleines Stück nur fast gerade Strecke, der Bus nimmt das Gas weg und fährt scharf rechts … ein netter Kerl!!!

Frank meint nur: „Das schreibe ich mir auf! Das man hier einen Bus überholen kann, hätte ich niemals geglaubt!“ Na, es ging nur mit der Mithilfe des Fahrers.

Ca. einen Kilometer hinter Ímbros biegen wir rechts ein und schrauben uns mit der Straße ins Gebirge hinauf. Der Blick hinunter wird atemberaubend, aber ich muss auf die vielen Steine achten, die auf der Asphaltstraße liegen. Angeblich werden diese Steine von Ziegen herunter getreten … aber gibt es hier überall so viele Ziegen???

Die Wolken hängen tief, aber wir können trotzdem im Tal Ásfendos erkennen. Während wir durch die Serpentinen herunterrollen, erzähle ich den beiden ein Erlebnis, das ich eine Woche zuvor in diesem Dorf hatte: „Hier gibt es nirgendwo ein Hinweisschild, wo es nach Argyroúpolis weitergeht. Ich bin also einfach nach Gefühl unten links abgebogen – ihr könnt die Straße von hier aus erkennen – war dann aber unsicher. Da stand dann ein junger Mann neben einer Betonmischmaschine, und ich fragte ihn, ob dies denn die richtige Straße nach Argyroúpolis sei.

Erst einmal hat er mich völlig verständnislos angeschaut und ich dachte, er müsse ein Albaner oder Bulgare sein, aber dann antwortete er, nein, da sei ich vollkommen falsch! Nun vollkommen konnte nicht sein, also fragte ich ihn, wie denn das nächste Dorf heiße. Nun, auch das wusste er nicht, erst ein Ruf ins Innere des Hauses brachte Aufklärung. Es heiße Kallikrátis und genau da wollte ich ja auch hin! Ist es nicht witzig, dass er nicht mal den Namen des Nachbardorfs kennt?“

Das fanden die beiden auch. Als wir durchs Dorf fuhren und natürlich links einbogen und um die Ecke kamen, wen sahen wir? Den Knaben an der Mischmaschine (wo er also nun 8 Tage beschäftigt war!!!) Für einen kleinen Moment spielte ich mit dem Gedanken, das gleiche Fragespielchen noch einmal zu betreiben, fand das dann aber gemein und ließ es sein.

Auf der Passhöhe oberhalb von Asigoniá stoppten wir aus drei Gründen:
1. Die Zigarettenpause (im Auto wurde nicht geraucht)
2. Fotografieren des malerisch zerschossenen Schildes
3. Pinkelpause (aufpasssen, es blies ein heftiger und kalter Wind, also schnell wieder rein in die gute kleine Stube)

Und dann gab es noch einen vierten Grund: „Frank, mach die Kamera bereit, jetzt kommen die besten Serpentinen des Tages!“