Mittwoch, 4. Juli – Kreta 2001

Ich sitze mit Petros etwas unausgeschlafen am Frühstückstisch. Ich habe langsam das Gefühl, dass ich dringend einen Ruhetag ohne irgendwelche gesellschaftlichen Verpflichtungen einlegen sollte. Abends früh in’s Bett gehen, ausschlafen … und dann wieder auf die Piste. Es fällt mir schnell ein, dass ich das am besten in Agía Galíni machen könnte, das sollte sowieso mein nächstes Ziel sein.

Also rufe ich schnell Jorgos an, er soll mir den Wagen nach Agía Galíni bringen. Und dann verabschiede ich mich von Petros, dankbar für einen schönen Tag … aber ich hasse lange Abschiede. Ich komme mal wieder, und das wirklich gern!

PicturesKK/buchtgournia.jpgIch entscheide mich für die asphaltierte Südküstenstrecke nach Tsoútsouras, da ich sowieso mal feststellen will, wie gut sie inzwischen ausgebaut ist (wie mir kürzlich gemailt wurde).
Sie ist völlig problemlos zu befahren, nur an einer Stelle muss man aufpassen: Da geht die Straße scheinbar geradeaus weiter (allerdings als Schotter), die richtige Strecke nach Tsoútsouras biegt links ab ein Stück hinunter, führt über eine winzige Brücke und dann weiter nach Westen. Eine Beschilderung gibt es (natürlich) nicht, ich bin einfach nach Gefühl gefahren und es hat mich nicht getrogen. Die Berghänge hier sind karg und wild, die Straße ist bestens ausgebaut, aber natürlich z. T. sehr kurvenreich.

Tsoútsouras hat sich nicht viel verändert, außer, dass viele Häuser hinzu gekommen sind und eine neue (überdimensionierte) Hafenanlage auch hier nicht fehlen darf. Und dann die Straße hinauf … vorbei ist es mit der Abenteuerlichkeit der Strecke. Bester Asphalt, alle auch nur halbwegs gefährlichen Kurven durch starke Leitplanken gesichert.

In Áno Kastellianá erreiche ich wieder die Hauptstrecke nach Westen, die ja inzwischen durchgehend asphaltiert ausgebaut ist. Agía Galíni, ich komme! Da fällt mir ein, dass meine Frau Yvonne ja erst heute von dort abfahren und abends ab Iráklion fliegen will. Ich treffe sie also wider Erwarten doch noch (sie war schon 10 Tage früher nach Kreta gefahren als ich). Wie praktisch, dann kann Jorgos sie ja mit nach Iráklion nehmen, wenn er mir den Jeep gebracht hat.

Doch dann regt sich ausnahmsweise der treusorgende Ehemann in mir. Wird sie es nicht viel schöner finden, wenn ich sie selbst zum Flughafen bringe? Also fahre ich rechts ran und hole das Handy raus. 1. Anruf in Agía Galíni: „Fahr nicht mit dem Bus, ich bin in etwa einer Stunde da und fahre dich heute nachmittag rechtzeitg zum Flughafen!“ Sie freut sich tatsächlich …
2. Anruf in Iráklion: „Jorgo, vergiss alles, du brauchst mir den Wagen nicht zu bringen. Kurz nach 5 Uhr bin ich bei dir und hole den Jeep ab!“ Er freut sich auch!
Und ich freue mich, dass sich zwei Leute freuen.

PicturesOG/aggalini.jpgDie letzten Kilometer von Ágii Déka bis Agía Galíni fliegt der Swift nur so über die gut ausgebaute Straße. Der arme Kerl weiß noch nicht, daß ich ihn schnöde verraten habe und er ab heute abend für eine deutsche Familie mit Kleinkindern Dienst tun wird. Klaus, Autos haben keine Seele!

Im „Romantiká“ in Agía Galíni gibt es das erwartete herzliche Willkommen. Heidi und Kyriakos, Jorgos, der Kellner, Makis, der Koch, und Carlo, der Sohn, alle freuen sich. Und ich mich auch über das sofort frisch gezapfte Bier zum Empfang.

Nach einer Weile erfährt auch Yvonne, dass ich da bin und kommt die paar Meter vom Strand herauf. Da es Mittagessenzeit ist, vertilge ich eine große Portion Lamm mit Auberginen, zusammen mit zwei weiteren Bieren. Dann erfahre ich voller Freude, daß Heidis Zimmer inzwischen alle eine Klimaanlage aufweisen. Also auf zum Mittagsschlaf (bis eben war es Yvonnes Zimmer, jetzt ist es meins), ich habe ja heute nachmittag noch mal 150 Kilometer zu fahren. Ich merke überhaupt nicht, dass Yvonne ihre Sachen packt, ich schlafe süß und traumlos.

Die Fahrt verläuft ereignislos (auf der Strecke kenne ich wirklich jede Kurve mit Namen), am Flughafen äußert Yvonne lächelnd den Verdacht, dass ich sie nur deshalb gefahren hätte, um mich zu vergewissern, dass sie auch wirklich abfliegt.
Ich mache den Spaß mit: „Du hast es genau erfasst!“

PicturesKJ/agheidi2kl.jpgDie Rückfahrt mit dem Samurai lässt mich an meinem Entschluss, das Auto zu wechseln, noch einmal zweifeln. Mein Gott, dieses Auto ist ein anderes Kaliber. Der verlangt eine harte Hand! Bodenwellen in Kurven verleiten ihn gar zu gewissen unkontrollierbaren Sprüngen … egal, seine Stunde kommt noch, wenn ich es demnächst mal abseits befestigter Wege probieren werde.

Ich komme todmüde wieder in Agía Galíni an. Es reicht nur noch zu einem Bier und ein bisschen Smalltalk. Ich schlafe mit dem beruhigenden Gefühl ein, dass ich morgen einen absoluten Ruhetag einlegen werde (ich Naivling).