Der Bus stellt meines Erachtens in bezug auf das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ die beste Möglichkeit dar, Kreta zu bereisen. Das kretische Busnetz weist aber eine besondere Eigenart auf: Jeder der vier kretischen Regierungsbezirke hat sein eigenes Netz, das den jeweiligen Hauptort (Chaniá, Réthymnon, Iráklion, Ágios Nikólaos) mit fast allen anderen Orten des Bezirks verbindet. An einigen Stellen enden die Linien jenseits der Bezirksgrenzen mit Umsteigemöglichkeit in das dortige Busnetz (z. B. in Agía Galíni). Die wichtigste überregionale Verbindung folgt der Nordküstenstrecke von Chaniá über Réthymnon bis Iráklion, von dort aus weiter über Ágios Nikólaos bis nach Sitía.
So sind Fernverbindungen über Kreta leider oft recht zeitraubend, da häufigeres Umsteigen erforderlich sein kann. Darüber hinaus sind die Fahrpläne der Busse mehr auf die Bedürfnisse der Einheimischen zugeschnitten als auf die der Besucher, denn die meisten Busverbindungen gehen frühmorgens aus den Dörfern in die jeweilige Hauptstadt ab und abends wieder zurück. So hat der Dorfbewohner Zeit, tagsüber sein Anliegen in der Metropole zu erledigen. Außerdem werden so auch die Schüler aus den Dörfern zur Schule und zurück transportiert. Für den Touristen aber ist der Tagesausflug auf’s Land mit abendlicher Rückkehr manchmal etwas schwieriger.
In den größeren Orten gibt es jeweils einen zentralen Busbahnhof, Iráklion liebt es etwas größer und hat zwei davon. In den Dörfern ist der Dorfplatz oder das einzige Kafenío die Haltestelle. Unterwegs steigt man an einem der kleinen blauen „Stásis“-Schildchen zu oder wird auch auf freier Strecke aufgenommen, wenn man deutliche Handzeichen gibt. Diese sollte man übrigens auch an Haltestellen geben, der Fahrer könnte sonst meinen, man stünde nur zum Vergnügen dort. Wer unterwegs zusteigt, bezahlt beim Schaffner („ispráktoras“), an den Busbahnhöfen kauft man die Karte vor Antritt der Fahrt und bekommt dafür sogar einen nummerierten Sitzplatz (ob der dann auch frei sein wird, ist ein anderes Thema, aber irgendwie arrangiert man sich immer).
Fahrkarten müssen auf jeden Fall bis zum Ende der Fahrt aufgehoben werden, unterwegs steigen nämlich häufig wichtig aussehende Männer mit grauen Uniformmützen zu, die die Fahrscheine noch einmal kontrollieren – sie überprüfen dabei allerdings nicht nur die Fahrgäste, sondern auch den korrekten Kartenverkauf durch den Schaffner (sonst könnte der womöglich in die eigene Tasche wirtschaften).
Wer Bus fährt, erlebt Land und Leute am intensivsten. Schnell ist man mit dem Nachbarn im Gespräch, wenn man will, und so vergeht die Zeit viel zu schnell. Und wenn einem auffällt, dass sich vor allen Dingen die schwarz gekleideten älteren Frauen fast an jeder dritten Kurve bekreuzigen, so hat dies seine Ursache nicht in der gewiss oft todesverachtenden Fahrweise des jeweiligen Chauffeurs, sondern der Bus ist soeben an einer Kirche, Kapelle oder einem Ikonostássi vorbeigekommen (siehe auch „Religion“).