Umweltbewusstsein

Nicht ohne Veranlassung sind wir Mitteleuropäer in den letzten Jahren immer stärker sensibilisiert worden für die Probleme, die die Menschen ihrer Umwelt bereiten, und damit natürlich auch sich selbst. So erstaunt es uns immer wieder, dass die Südländer, die doch meist ländlich lebend viel eher ein engeres Verhältnis zur Natur haben müssten als wir urbanen Ignoranten, genau eben das nicht haben.

Sie brauchten das vermutlich früher auch nicht. Die Abfälle waren immer organischer Natur und die Verpackungsmaterialien ausschließlich Papiertüten. Eine funktionierende Müllabfuhr war deshalb nicht vonnöten: Man warf den ganzen Kram einfach irgendwo einen Hang hinunter, in kürzester Zeit war alles verrottet und sorgte sogar noch für Düngung.

Im Zeitalter moderner Konsum- und Verpackungskultur haben solche Angewohnheiten allerdings wirklich fatale Folgen: Immer noch werfen viele Einheimische ihren Müll irgendwelche Hänge hinunter, doch nun besteht dieser Abfall zum allergrößten Teil aus nicht verrottendem Plastikmaterial. So findet man heute überall auf der Insel (wie in den meisten Gegenden des Mittelmeerraums sonst auch) wilde Müllkippen, die sich die Hänge hinunterziehen.

Bei einem meiner letzten Besuche fuhr ich mit dem Wagen hinter einem Einheimischen her, der plötzlich ohne ersichtlichen Grund nach links hinüber ausscherte. Dann jedoch flogen plötzlich aus dem Fenster des Wagens drei Plastiktüten voll Müll nacheinander über ein Brückengeländer hinunter – einträchtig zu all denen, die schon unten lagen. Sicher ist Kreta nicht meine Insel, aber ich fühlte mich dennoch bemüßigt, dem Fahrer meine Mißbilligung kundzutun, indem ich ihn überholte, gestikulierte und auf griechisch hinüberschimpfte… er hat wohl überhaupt nicht verstehen können, was ich eigentlich von ihm wollte!

Ein anderes Erlebnis dieser Art war fast ebenso typisch: In Kókkinos Pýrgos war es bis vor einigen Jahren üblich, den Müll einfach in ein im Sommer ausgetrocknetes Flußbett zu bringen (wo er dann im Winter durch den Regen ins Meer „entsorgt“ wurde). Inzwischen gibt es in diesem Dorf aber so etwas wie eine Müllabfuhr, d.h. die Bewohner stellen ihre Plastiksäcke einfach an die Straße, die werden dann eingesammelt (und möglicherweise in irgendein anderes Flußbett geschmissen).
Oder sie werden auf die Mülldeponie östlich von Ágii Déka gebracht, wo sie der ewige Wind weit über die Grenzen der „Deponie“ zwischen Olivenbäume und Gewächshäuser verteilt.

Eines Tages saß ich also mit einigen Bekannten im Kafenío, als ein voll mit Abfällen beladener Pick-Up eines anderen Einheimischen Richtung Flussbett am Lokal vorbeirollte. Einer der Sitzenden sprang auf und hielt dem Fahrer einen lauten und erbitterten Vortrag darüber, dass es doch unmöglich sei, den Müll einfach immer noch zum Flußbett zu karren, man habe jetzt eine Müllabfuhr. Jener zeigte sich allerdings unbeeindruckt und fuhr weiter. Als mein Bekannter an den Tisch zurückkehrte, wollte ich ihm gerade meine Bewunderung für sein erwachtes Umweltbewusstsein aussprechen, als er mich harsch auf den Boden der kretischen Tatsachen zurückholte: „Weißt du, Niko, bei dem ewigen Wind hier fliegt der ganze Müll aus dem Fluss immer auf mein Grundstück hinüber, das gleich daneben liegt. Das ist ja nun wirklich nicht nötig!“ Da erübrigt sich ein weiterer Kommentar.

Sehr beliebt – aber ziemlich unberechtigt – ist es hingegen auf Kreta, auf die Touristen zu schimpfen, die so viel Dreck hinterließen. Nun ist sicher möglicherweise auch das ein Problem, aber es ist ein reiner Witz, die kretische Umweltverschmutzung ausschließlich auf die Touristen zu schieben. Wilde Müllkippen irgendwo in der Landschaft werden in der Regel nicht von Touristen angelegt.

Lassen Sie uns also den Kretern mit dem besten Beispiel vorangehen und hüten wir uns, die Landschaft noch mehr zu verschmutzen, als sie es vielerorts leider schon ist – eine ebenso ehrliche wie eindringliche Bitte.