Jahrzehnte lang schimpfte ich über das sehr mangelhafte Kartenmaterial für Kreta. Das meiste – und insbesondere das, was man von Autovermietern umsonst bekam – war einfach nicht ausreichend, um sich auf Pfaden abseits der Hauptstrecken sicher zu bewegen. Oft waren sogar „New Road“-Strecken eingezeichnet (in den 70er Jahren), wo es noch nicht einmal eine durchgängige Schotterstraße gab – und Asphalt erst ca. 20 Jahre später!
Aber es ist inzwischen durchaus eine deutliche Besserung eingetreten. Deshalb hier einige konkrete Empfehlungen (bedauerlicherweise verdient auch jede dieser besseren Kreta-Karten eine Portion Kritik, so dass ich betonen muss: Die Reihenfolge entspricht nicht meiner Rangfolge. Was ich im einzelnen von den Karten halte, entnehme man bitte den folgenden Zeilen – außerdem habe ich ein zugegeben grobes und subjektives Bewertungssystem – maximal fünf Sterne):
1. „Kreta“ aus dem ADAC-Verlag (Maßstab 1:175.000) – *** Sterne
„Aktuell, sehr genau und übersichtlich (was auch am tollen Maßstab liegt), die Beste unter den Guten“. So war meine Bewertung, als diese Karte noch im Maßstab 1:125.000 vorlag. Leider ist nicht jeder Fortschritt ein solcher. Im neuen kleineren Maßstab ging viel von Übersichtlichkeit und Genauigkeit verloren (so fehlen einige Nebenstraßen wie die nach und von Kókkinos Pýrgos ganz – aber vielleicht waren die Kartenmacher der Meinung, es lohne nicht dort hinzufahren), trotzdem ist die Karte besser als der Durchschnitt. Die wichtigsten Stadt- und Ausgrabungspläne sind klar les- und brauchbar.
2. Die „Freizeitkarte Kreta“ – ** Sterne
Früher bei Baedeker-Allianz, jetzt neu unter dem Logo „Marco Polo“, glänzt die Karte mit dem Maßstab 1:125.000 (in zwei Blättern). Dennoch könnte die Farbgebung übersichtlicher sein. Was mich aber besonders stört, sind die „Freizeitkartentypischen“ großen roten Buttons, die auf Freizeittipps auf der Rückseite hinweisen (sollen).
Das ist bei dem noch viel größeren Maßstab der deutschen Regional-Freizeitkarten zwar nicht besonders störend, hier aber schon ziemlich. Darüber hinaus ist wenig einsehbar, warum manche Buttons wo platziert wurden. Warum zum Beispiel verunziert Button 41 der westlichen Karte irgendwo die Gegend bei Agía Varvára? Denn auf der Rückseite findet man nur eine (sehr allgemein) gehaltene Aussage über die überall auf Kreta gegenwärtigen „Wegaltäre“ (das ist eine ganz neue Übertragung des griechischen Wortes „Ikonostássia“!) … Hier hat man sich einfach zu wenig Mühe im Detail gegeben. Mein Vorschlag also: die Buttons viel kleiner und weniger störend, logischer untergebracht und statt mit Wischi-Waschi mit ernsthaften Texten versehen. Und damit keiner glaubt, ich sei nur ein Küchenkritiker, der nicht kochen kann, bitte schön, ich stehe gerne zur Verfügung!
Von diesen Einschränkungen abgesehen, ist die Karte aber durchaus nicht übel.
3. Die Shell-Karte „Kreta“ – ** Sterne
Diese Karte entspricht praktisch dem Bild der „Freizeitkarte“ (ohne hässliche Buttons), aber nur im Maßstab 1:175.000. Sehr brauchbar und ziemlich übersichtlich, aber es gibt Besseres.
4. „Kreta“ aus dem Verlag Freytag & Berndt – ** Sterne
Diese Karte (Maßstab 1:200.000) war bis zum Erscheinen der ersten ADAC-Karte mein absoluter Favorit (und wäre es nun fast wieder, wenn …). Sehr klar und genau in der Farbgebung, dadurch sehr übersichtlich. Doch auch hier gibt es nun einen dicken Wermutstropfen! Es ist grundsätzlich erfreulich, dass die Karte regelmäßig korrigiert und überarbeitet wird, wovon ich mich in den letzten Jahren regelmäßig überzeugen konnte.
Leider hat nun ein Designer oder Marketingstratege dafür gesorgt, dass die Optik dieser Karte sehr verschlimmbessert wurde. Die Farben sind weniger bunt und eleganter, aber leider sind vor allen Dingen die rot eingezeichneten Asphaltstraßen nun so fett gedruckt, dass man in „Ballungsräumen“ sonst nicht mehr viel sieht! War das nötig? Und bei den neuen Stadtplänen zeigt mein Daumen nun ganz energisch nach unten: Die alten waren gut und lesbar, die neuen sind einfach nur noch unbrauchbar. Was für ein Teufel hat euch da nur geritten, Leute???
5. „Kreta“ aus dem Harms Verlag – *** Sterne
(Zweiteilig – Maßstab 1:100.000).
Diese Karte erschien ursprünglich in vier Teilen und war meiner damaligen Ansicht nach einfach nur schlecht. Bei einer Karte dieses Maßstabes kann man wirklich verlangen, das sie genauer gezeichnet ist, als Karten deutlich kleinerer Maßstäbe. Und das war sie eben nicht.
Ich habe damals an den Verlag geschrieben, aber meine berechtigte Kritik hat die Leute wohl so beleidigt, dass ich erstens keine Antwort bekam und zweitens der spätere Wunsch nach Rezensionsexemplaren der Neuausgaben ungehört verhallte. Da ich aber nicht als Mimose durch die Gegend laufen will, habe ich die neuen Karten dann eben selbst gekauft und muss anerkennen: Sie sind deutlich verbessert worden!
Man kann sich nun tatsächlich größtenteils auf die Angaben verlassen und sie ist ein wenig eingeschränkt auch als Wanderkarte brauchbar. An einigen Stellen allerdings ist immer noch geschludert worden (so sieht es nach wie vor so aus, als münde die Straße von Iráklion nach Ágii Déka in die Straße von Pýrgos kommend ein, statt umgekehrt, wie es richtig ist), aber ich darf die Karte trotzdem nun gerne empfehlen.
Kritikpunkt ist allerdings das Handling: Ich mag Karten nicht, die auf Vorder- und Rückseite bedruckt sind, und das auf einem recht empfindlichen Papier, das einen Urlaub incl. intensiven Gebrauchs nur bedingt bzw. lädiert übersteht. Also: Trotz der unübersehbaren Verbesserungen könnte man noch ein bisschen mehr tun.
6. Road Editions „Kreta“ – ** Sterne
Die beiden Karten sind im gleichen Maßstab 1:100.000 gehalten, haben aber eine etwas andere Farbgebung als die Harms-Karten. Sie gehen übrigens genau so gerne und schnell kaputt wie diese.
Ich erlaube mir hier ein kurzes Zitat: „Die RE Karten sind ‚mitunter etwas kreativ, wenn nicht sogar dialektisch‘ in ihrer Darstellung von Straßen, die voraussichtlich erst in ein paar Jahren fertig sein werden oder seit einiger Zeit bereits fertig sind. Eine ganze Zeit lang hieß es außerdem im Copyright-Vermerk, dass die Karten absichtliche kleine Fehler enthalten, um Raubkopierer abzuwehren (!). Diese kleinen Fehler sind durchaus gar nicht so klein, Orte sind falsch benannt, Schreibweise ist ab und zu falsch, und Kurven und Höhenangaben liegen manchmal massiv daneben. Aber der Spaßfaktor ist nicht zu verachten, wenn man sich an die Karten hält und nebenbei korrigiert.“
7. Kompass-Karte „Kreta“ (Maßstab 1:140.000) – ** Sterne
Diese Karte kommt in einem Plastiketui, macht einen recht stabilen Eindruck, hat ein klares und ansprechendes Bild zu bieten und außerdem ein recht umfangreiches Ortsregister (das hat auch nicht jede Karte). Stadtpläne gibt es keine, aber als Ersatz sind in der Hauptkarte wichtige Sehenswürdigkeiten oder Anderes wenigstens ziemlich genau in der Hauptkarte vermerkt, was bei dem recht großzügigen Maßstab eben möglich ist. Ein paar Ortsnamen sind nicht ganz richtig wiedergegeben, so heißt hier die „Ágiofárango“ plötzlich „Farángi Ágio“ (was immer das heißen möchte). Aber das sind Marginalien, die mich nicht weiter stören.
Was mich aber ausgesprochen stört: Auch diese Karte ist doppelseitig bedruckt und dann auch noch so blöd gefaltet, dass man sie nicht einfach mal links- oder rechtsherum aufklappen kann, wie das ja machbar wäre und ist. Nein, um den Westteil der Insel zu sehen, muss man die Karte komplett auseinanderfalten und dann umdrehen. Das ist sehr unpraktisch und gibt einen ganz dicken Punktabzug. Gesamturteil also nur: Nicht übel, aber eben verbesserungswürdig. Das Bessere ist des Guten und das Gute des Brauchbaren Feind!
8. Anávasi „Road and Touring Atlas“ – (wegen des Gewichts nur) **** Sterne
Erschienen 2008 in Athen, auf Kreta überall erhältlich. Wohl das Genaueste, was gesamtkretisch derzeit auf dem Markt ist. Nachteile hat aber auch er: Für Wanderer ist er eher nicht geeignet, da er ein ziemliches Pfund darstellt.
Zweitens sind die Kartenausschnitte der einzelnen Seiten aufgrund des bemerkenswerten Maßstabes von 1:50.000 (!) ziemlich klein (obwohl der Atlas etwa DinA4 groß ist). Er ist also detailliert, aber ein wenig unübersichtlich. Für Autofahrer sehr gut und sehr stabil, aber für die Planung längerer Touren nicht besonders geeignet. Vielleicht legt man sich außerdem noch eine einteilige Übersichtskarte ins Handschuhfach.
9. Anávasi-Touringkarten 1:100.000, drei Blätter – Absolut ***** Sterne – the best!
Nr. 92 – Bezirk Lassithi, Nr. 93 – Bezirke Iráklion/Réthymnon und Nr. 94 – Bezirk Chaniá. Als ich diese Karten das erste Mal öffnete, gefiel mir die optisch durchaus grobe Faltung nicht sonderlich. Aber diese Karte ist das Stabilste, was ich in Faltkarten bisher in den Händen hielt. Da reißt nichts, da scheint nichts durch … und da verzeiht man auch die materialbedingt etwas unschöne Faltung.
Natürlich gefällt mir (siehe oben), wenn eine Karte nur einseitig bedruckt ist und man die Rückseite nur braucht, wenn man das umfangreiche (!) Ortsregister nutzen will.
Die Karten erschienen 2007 und zeigen nicht nur diversen neuen Straßen, sondern auch deutlich mehr Orte als andere Karten. So ist hier – nur als Beispiel – sogar die Soúda-Bucht bei Plakiás als auch die neue Bezeichnung von Kávros (bei Georgioúpolis), nämlich „Paralía Kournás“ richtig eingetragen.
Man mag es vielleicht überflüssig finden, dass z. B. in Ebenen wie der Messará oder der Lassíthi jeder Wirtschaftsweg gelb eingezeichnet erscheint, was diesen Ebenen ein Schachbrettmuster und eine entsprechende Unübersichtlichkeit beschert. Wer fährt denn solche Wege? Die Einheimischen kennen sie und der Reisende braucht sie nicht. Nun gut, das bleibt aber auch der einzige Kritikpunkt.
Die Karten bieten auch eingezeichnete Höhenlinien, aber zum Wandern empfehle ich eher die Ausgaben 1:25.000 aus dem gleichen Verlag, die es für einige Gebiete wie die Lefká Óri, den Psilorítis oder Vái gibt. Für mich sind die Karten derzeit die Besten, da schleppe ich den Road-Atlas nicht mit nach Kreta. Nebenbei sind diese Karten auch GPS-tauglich, aber das ist für mich weniger interessant, ich bin mein eigenes GPS und Navi… auch in Deutschland.